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Der Fall Susanne Klatten: Ein Strafprozess der prozessualen Erbärmlichkeiten?

Dr. Alexander von Paleske – — 19.2. 2009 — In Kürze findet in München der Strafprozess gegen den Klatten- Charmeur Helg Sgarbi statt,

Man darf annehmen, dass im Hintergrund die Strafrabattverhandlungen längst begonnen haben.

In diesen mutmasslichen Rabattverhandlungen hat nun der Verteidiger des Angeklagten Helg Sgarbi, der Staranwalt Egon Geis aus Frankfurt , einen neuen Strafmilderungsgrund geltend gemacht: Die Vorverurteilung duch die Presse.

Man könnte das als Teil der Verhandlungsstrategie über Strafrabatt abtun, wenn nicht der Hintergrund weitaus ernster wäre.

Die Strafprozessordnung bleibt auf der Strecke
Rabattverhandlungen selbst sind, wie wir meinen, bereits ein schwerer Verstoss gegen die Strafprozessordnung (StPO), wir hatten darüber ausführlich berichtet.

Nunmehr schiesst das Landgericht München mit der Veröffentlichung der Anklageschrift vor Prozessbeginn in Sachen „Verstoss gegen die StPO“ offenbar den Vogel ab.

Das Landgericht machte nämlich die Anklageschrift der Presse zugänglich, und zwar ohne Sperrvermerk, die diese dann auch prompt zwar nicht wortwörtlich aber vollinhaltlich veröffentlichte.

Eine derartige Veröffentlichung ist schlichtweg mit der Strafprozessordnung unvereinbar. Das sagt schon der einfache Blick in jeden Kommentar zur StPO.

Danach kann nämlich ein Laienrichter (Schöffe) wegen Befangenheit abgelehnt werden, wenn er während oder vor der Hauptverhandlung Einblick in die Anklageschrift nimmt.

Das ist ständige Rechtsprechung.

Ich selbst habe seinerzeit, damals noch Rechtsanwalt, einen derartigen Befangenheitsantrag gegen einen Schöffen erfolgreich eingebracht, der während der Hauptverhandlung es nicht lassen konnte, die Anklageschrift in Augenschein zu nehmen.

Die Schöffen sollen einzig und allein aufgrund des Ergebnisses der Hauptverhandlung zu einem Urteil gelangen.
Nun dürfen wohl die Schöffen , entsprechend dem „Münchener Neuen Landrecht“ die Anklageschrift bereits aus der Zeitung zur Kenntnis nehmen vor dem Hintergrund des “grossen öffentlichen Interesses an dem Fall“.

Grosses öffentliches Interesse erfordert also Information an die Presse, auch wenn mit der Strafprozessordnung unvereinbar.
Mit anderen Worten: Informationsbedürfnis schlägt Strafprozessordnung.

Die Aeusserung der Gerichtssprecherin Margarete Noetzel in diesem Zusammenhang kann und darf nicht unwidersprochen bleiben..

Wehret den Anfängen, „principiis obsta“ kann man dazu nur sagen.

Egon Geis hat recht, auch wenn er mit der mutmasslichen Teilnahme an den Strafrabatt- Basarverhandlungen wohl selbst kein gutes Beispiel setzen würde.

(Siehe hierzu auch die juristische Fachdiskussion, die sich aber auf das Verbot der wörtlichen Wiedergabe der Anklageschrift, Paragraph 353d Nr. 3 Strafgesetzbuch (StGB) konzentriert)

E-Mail avpaleske@botsnet.bw

Kurzer Prozess für den Klatten-Gigolo?
Der Fall Susanne Klatten-eine Nachlese
Der Fall Susanne Klatten und die Presse</
Der Fall Susanne Klatten – Eine Abschlussbemerkung</

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„Es geht darum, dass die Profiteure dieses Systems zur Kasse gebeten werden“

Thomas Mitsch im Interview mit Ulrich Maurer – Bei der Landeswahlversammlung des Landesverbands Baden-Württemberg der Partei DIE LINKE wählten die Delegierten, am vergangenen Wochenende, die Landesliste für die Bundestagswahl 2009. Mit 152 Ja-Stimmen, bei 11 Nein-Stimmen und 5 Enthaltungen wurde Ulrich Maurer, parlamentarischer Geschäftsführer der Linksfraktion im Bundestag, als Spitzenkandidat auf dem ersten Platz der Landesliste bestätigt. Kurz nach der Wahl konnte ich einige Fragen an ihn stellen.

T.M.: Danke Uli, dass du dir Zeit nimmst und erstmal herzlichen Glückwunsch für den Listenplatz 1 der Landesliste zur Bundestagswahl 2009 in Baden-Württemberg. Siehst du dich mit dem Wahlergebnis in deiner Arbeit bestätigt?

U.M.: Ja, doch, ich habe mich sehr gefreut über das sehr gute Ergebnis und ich glaube, ich hätte dies nicht bekommen, wenn die Partei geglaubt hätte, ich hätte keine gute Arbeit gemacht.

T.M.: Wie geht es jetzt weiter?

U.M.: Nun, wir haben uns vorgenommen, dass wir bei der Bundestagswahl die Mandatszahlen in Baden-Württemberg verdoppeln, die LINKE in Deutschland drittstärkste Partei wird und dass die anderen Parteien darüber so erschrecken, dass sie sich nicht mehr trauen so schamlos von unten nach oben umzuverteilen.

T.M.: Glaubst du, dass der Ausgang der Hessenwahl auf die kommenden Wahlen Einfluss hat?

U.M.: Keine Frage, in Hessen hat man alles probiert um uns rauszudrücken. Ich habe solche Angriffe anderer Parteien, der Medien und Demoskopen auf uns noch nie erlebt. Und die Tatsache, dass wir dem standgehalten haben, war die Voraussetzung dafür, dass wir jetzt bei den weiteren Wahlen sehr erfolgreich sein werden.


Ulrich Maurer: Wir zahlen eure Krise nicht!
Foto: Roland Hägele

T.M.: Wie siehst du die Chancen der Partei DIE LINKE für die Bundestagswahl 2009 in Baden-Württemberg?

U.M.: Ich habe ja schon gesagt, dass wir in Baden-Württemberg 6 Prozent schaffen können, und alles drüber wäre dann das Sahnehäubchen. Das ist dann natürlich auch die Voraussetzung dafür, dass wir dann auch in den nächsten Landtag einziehen werden. Ich glaube auch, dass wir nach den zuvor stattfindenden Kommunalwahlen 200-300 Mandatsträger/innen stellen werden.

T.M.: Was werden die Schwerpunkte der Bundestagswahl sein?

U.M.: Wir sind in der zweiten Weltwirtschaftskrise, der Finanzmarktkapitalismus hat abgewirtschaftet. Es wird darum gehen, dass endlich die Profiteure dieses Systems zur Kasse gebeten werden und nicht die Auswirkungen der Krise auf die abhängig Beschäftigten und Arbeitslosen abgewälzt werden.

U.M.: Ende März und Anfang April stehen viele Aktionen und Kampagnen an. Am 28. März 2009 die Großdemonstrationen in Berlin und Frankfurt unter dem Motto „Wir zahlen eure Krise nicht“ sowie die Aktionen zum 60-jährigen Jubiläum der Nato in Straßburg und Baden-Baden.

T.M.: Wie unterstützt DIE LINKE diese Aktivitäten?

U.M.: Bei beiden Kampagnen werden wir uns massiv einschalten, weil wir beide für sehr, sehr wichtig halten. Ich selber werde sowohl in Frankfurt als auch in Straßburg dabei sein.

T.M.: Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg als Beauftragter der Partei für den Aufbau West.

Ulrich Maurer ist parlamentarischer Geschäftsführer der Linksfraktion im Bundestag.
Thomas Mitsch ist Mitglied der BAG rote reporter/innen der Partei DIE LINKE.

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Schlägerüberfall nach linker Veranstaltung

Am Samstag, 10. Januar, fand in Berlin die erste Veranstaltung der neugegründeten „Volksinitiative“ unter dem Motto „Weltwirtschaftskrise: Versagen die Linken? Was ist zu tun?“ statt. Mit 120 Besuchern war der Andrang Interessierter beträchtlich.

Hauptreferent Jürgen Elsässer, Buchautor und Mitarbeiter der sozialistischen Tageszeitung „Neues Deutschland“, stellte gleich zu Anfang klar, wo die erwünschte Breite der Initiative ihre klare Grenze hat. „Eine Mitarbeit von NPDlern in unserer Initiative oder auch eine Zusammenarbeit lehnen wir strikt ab. Mit Leuten, die den Holocaust verharmlosen oder beschönigen oder den Nazismus verharmlosen oder rechtfertigen, wird es keine Form der Kooperation geben. Wer, wie die NPD, immer noch im blutigen Sumpf der Vergangenheit steckt, ist für eine zukunftsorientierte Politik nicht zu gebrauchen.“

Am Vortag der Veranstaltung hatte sich die NPD mit einer Erklärung der „Volksinitiative“ angebiedert und auf deren „unverkrampftes“ Herangehen an Bündnisse spekuliert. Elsässer dazu: „Die NPD kann sich das abschminken. Das wird nicht passieren. Zwischen uns von der ‚Volksinitiative‘ und Nazis, und zwar nicht nur der NPD, sondern jedweder Couleur, steht eine Feuerwand der Abgrenzung.“ Intendiert, so Elsässer, sei eine „Volksfront“ in der Tradition des Bündnisses von Kommunisten, Sozialdemokraten und Bürgerlichen in den dreißiger Jahren, die sich „gegen Faschismus und Krieg“ richtete. „Ein Spektrum von Lafontaine bis Gauweiler ist das, was wir wollen.“

Die Veranstaltung dauerte etwa zweieinhalb Stunden und war von einer sachorientierten Diskussion geprägt, unter anderem um die Vorbereitung eines großen „Volkskongresses“ zur Kritik des Finanzkapitals, der spätestens im Mai stattfinden soll. Gegen 23 Uhr löste sich die Zusammenkunft auf.

Eine knappe halbe Stunde später, als nur noch etwa 40 Leute im Saal waren, stürmten sechs bis acht Vermummte herein und begannen mit Prügeleien. Offensichtlich hatten sie es auf einen Mann abgesehen, den sie als Nazi bezeichneten. Woher dieses Wissen rührte, war unklar, denn weder diese Person noch irgend sonst jemand hatte sich während der Veranstaltung durch Diskussionsbeiträge, Zwischenrufe oder Ähnliches als Rechtsradikaler zu erkennen gegeben. Wären wir als Veranstalter darauf hingewiesen worden, dass sich Nazis in der Versammlung befinden, hätten wir selbstverständlich Platzverweise ausgesprochen.

Der angebliche Nazi wurde mit einer Flasche niedergeschlagen und brach blutüberströmt zusammen. Ein zufällig am Nebentisch sitzendender junger Mann wurde ähnlich brutal zu Boden geprügelt. Beide mussten ins Krankenhaus gebracht werden. Weiterhin wurde ein Mitglied der „Volksinitiative“, das sich den Vermummten in den Weg gestellt hatte, ins Gesicht geschlagen.

Wir werten diese Attacke als schweren Angriff auf die grundgesetzlich garantierte Meinungs- und Organisationsfreiheit. Offensichtlich maßt sich eine „antifaschistisch“ kostümierte Schlägertruppe an, unliebsame linke Organisationsansätze wie die „Volksinitiative“ durch physische Gewalt an der Verbreitung und Diskussion ihrer Ideen zu hindern. Dass sich angeblich ein Nazi unter den über hundert Anwesenden befunden haben soll, war nur ein Vorwand für das Rollkommando: Tatsächlich war schon am 07.01. auf der Website indymedia dazu aufgerufen worden, die Veranstaltung zu stürmen: „Lassen wir Elsässer nicht alleine, besuchen wir ihn im Wirtshaus Max & Moritz und bereiten ihm und uns einen schönen Abend. Wirksame Gegen-Argumente sollten treffsicher vorgebracht werden.“ (Indymedia hatte den Post nach kurzer Zeit gelöscht.)

Die „Volksinitiative“ wird sich nicht einschüchtern lassen, sondern ganz im Gegenteil ihre Arbeit verstärken. Wir werden eng mit Polizei und Staatsschutz kooperieren, um die kriminelle Vereinigung, die für den Angriff verantwortlich ist, zu überführen – und um unsere künftigen Veranstaltungen zu sichern.

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„Volksinitiative“ gegen Finanzkapital gegründet

Jürgen Elsässer – Ich möchte Euch einladen, unbedingt bei einer sehr wichtigen Veranstaltung der neu gegründeten „Volksinitiative“ am Samstag, 10. Januar, in Berlin dabei zu sein (Ort/Zeit ganz unten). Es geht an diesem Abend um eine grundsätzliche Einschätzung der ökonomisch-politischen Situation und um die Herausarbeitung von Ansätzen für eine große Offensive.

In einem längeren Einleitungsreferat werde ich ausführen:
1. Die Krisenanalyse der meisten Linken ist falsch, da sie das imperialistische Moment sträflich unterschätzt: Die aktuell einsetzende Depression ist Ergebnis eines bewussten Angriffs des anglo-amerikanischen Finanzkapitals auf den Rest der Welt. Dabei kommen „finanzielle Massenvernichtungswaffen“ (Warren Buffet) zum Einsatz, die nicht aus Ausbeutung der Arbeitskraft („Überakkumulation“), sondern aus „fiktivem Kapital“ (Kapital, Dritter Band) munitioniert sind. Was wir bisher erlebt haben, waren erste Geplänkel mit diesen Waffen – der Hauptstoß steht noch bevor!

2. Bei der Abwehr dieses Angriffs spielt der Nationalstaat die entscheidende Rolle. Supranationale Koordinationen in Gremien, in denen die aggressiven Staaten und ihre Vertreter eine Rolle spielen (EU, G8, IWF usw.), sind für die Katz. Wichtig ist eine Koordination der angegriffenen Nationalstaaten.

3. In allen Staaten, auch in Deutschland, entwickelt sich ein zunehmender Widerspruch zwischen dem Industrie- und dem Bankkapital. Letzteres, eng mit den angloamerikanischen Angreifern verbunden, erdrosselt ersteres in einer Kreditklemme.

4. Hauptaufgabe der Linken ist der Aufbau einer Volksfront, die das national bzw. „alt-europäisch“ orientierte Industriekapital einschließt. Die Reduktion auf Klassenkampf ist sektiererischer Unsinn.

5. Hauptaufgabe der Volksfront ist die entschädigungslose Nationalisierung des Finanzsektors und die Abdrängung der anglo-amerikanischen Finanzaristokratie aus Europa, in der Perspektive ein eurasisches Bündnis. Den Sozialismus, also den Stoß gegen das System insgesamt, zur Hauptaufgabe zu erklären, ist linksradikale Kraftmeierei bzw. „imperialistischer Ökonomismus“ (Lenin).

Soweit in Kürze. Ein längerer Aufsatz zu Punkt 1 von mir erschien am 20. Dezember im „Neuen Deutschland“. Diskussionsbeiträge zu obigen Kurzthesen sind schon jetzt hochwilllkommen.

Die Veranstaltung der „Volksinitiative“ findet am Samstag, 10. Januar, ab 20.30 Uhr im Wirtshaus „Max und Moritz“, Berlin-Kreuzberg, Oranienstraße 162 statt. Fast direkt vor dem Lokal hält der Bus M29 (Haltestelle Oranienplatz). Die nächstgelegene U-Bahn-Station ist Kottbusser Tor (U1/U8).

Näheres in Kürze.

Für Rückmeldungen: info(at)juergen-elsaesser.de

linkJürgen Elsässer

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“Terrorziel Europa”: Westliche Geheimdienste sind in sämtliche Terroranschläge in Europa der letzten Jahre involviert.

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Die ZEIT und die Schwarzmalerei über den Tod von Tageszeitungen

Dr. Alexander von Paleske — 10.12. 2008 – Wir hatten uns vor drei Monaten bereits mit einem Artikel des ZEIT Mit-Herausgebers Josef Joffe beschäftigt, in welchem er das Ende der Tageszeitungen für das Jahr 2048 voraussagt, bei einem jährlichen Verkaufsrückgang von 2%.

Nun folgt ein weiterer Artikel , diesmal im Wirtschaftsteil der ZEIT, Titel:„Eins in die Presse“. In der Woche davor ein Interview mit dem ehemaligen Kanzlerberater Bodo Hombach, seines Zeichens jetzt Manager der Verlagsgruppe WAZ (Westdeutsche Allgemeine Zeitung).

Dazu ein Foto des ehemaligen Kanzler Schröder-Spezis, das ihn als schwergewichtigen Bedenkenträger darstellt. Hintergrund: Massive Kosteneinsparungen bei der WAZ. Aber nicht nur dort.

Ganz verschämt wird in dem ZEIT-Artikel dann vermeldet, die Regionalzeitungen der WAZ Verlagsgruppe gehörten „traditionell nicht zu den besten“

Wohl wahr, die Redakteure wurden bei der WAZ offenbar nicht als das Kapital angesehen, das erst eine Zeitung zu mehr macht, als zum blossen Nachrichtenträger. Und es wurden, nicht nur bei der WAZ, Phantasierenditen von bis zu 25% eingefordert.

Jetzt lassen die Verkaufszahlen nach und als Reaktion darauf werden massive Kosteneinsparungen vorgenommen, die vor allem im Feuern von Redakteuren und Schliessen von Redaktionsbüros bestehen. Als Ursache für den Rückgang der Verkaufszahlen wird ein allgemeines Desinteresse an öffentlichen Angelegenheiten angegeben.

Aber stimmt das?
Das Internet hat das Medienmonopol über den Nachrichtenzugang hinweggefegt. Alle führenden Agenturen wie DPA, UPI, AFP, DDP etc. sind mit ihren Nachrichten für jedermann über das Internet abrufbar. Praktisch alle Printmedien haben selbst einen Internetauftritt.

Wer bereits im Detail das Neueste aus dem Internet kennt, für den gibt es nun wirklich keinen Grund, am nächsten Tag diese Nachrichten von Content Managern aufbereitet noch einmal zu lesen.

Also kann Interesse doch nur hervorrufen, was darüber hinaus geht.

Das Versagen der Presse – Zwei Beispiele
Als die österreichische Hypo-Alpe Adria Bank, griffiger auch als Skandalpe bezeichnet, von der Bayerischen Landesbank (BayernLB) voriges Jahr gekauft wurde, da wurden die Hintergrundinfos –kostenfrei- einer führenden deutschen Wirtschaftstageszeitung angeboten.

Diese Zeitung nahm auch sofort die Recherche auf, schreckte aber letztlich vor der Publizierung zurück, weil sowohl der Investor Tilo Berlin, die BayernLB als auch die Hypo-Alpe ihre Anwälte in Stellung gebracht hatten. Man wollte keinen Prozess.

Mittlerweile hat sich unsere Info bestätigt, der Herr Kulterer ist im vergangenen Monat rechtskräftig wegen Bilanzfälschung verurteilt worden und die Hypo-Alpe Adria Bank hat sich in vollem Umfang als Skandalbank entpuppt.

Tempi passata – aber den Leser hätte es wohl interessiert.

Ein weiteres Beispiel die Berichterstattung über die Quandt-Erbin Susanne Klatten und ihren Gigolo. Hier überboten sich die Printmedien in Mitleidsbezeugungen, hart an der Grenze zur Heuchelei.

Neupositionierung erforderlich
Mutiger Recherchejournalismus, originelle Artikel, Lokalkolorit, kurzum all das, was sich eben nicht oder nicht guter Qualität im Internet findet das könnte die Zeitungen in einem veränderten Umfeld wieder attraktiv machen. Aber die Verlage kürzen, feuern, lagern aus. Sie handeln wie Konkursverwalter aber nicht wie Start-up Gründer.

Die Zeitungen müssen sich in einem veränderten Umfeld neu positionieren, aber dazu braucht man weniger Content-Manager, sondern Journalisten mit Kopf und Biss. Nur: standen die bei der WAZ-Verlagsgruppe jemals sehr hoch im Kurs? Wohl eher nicht. Das rächt sich jetzt, nicht nur bei der WAZ.

Keine Bereicherung durch Herrn J. Fischer
Und der ZEIT sei’s noch ins Stammbuch geschrieben: Das ständige Aufkreuzen des Ex- Aussenministers J. Fischer in Artikeln, Interviews und Dossiers in dieser Wochenzeitung vermittelt den unerqicklichen Eindruck: Hier soll jemand als Herausgeber aufgebaut werden, der diese Wochenzeitung bestimmt nicht attraktiver macht. Jener Herr J. Fischer, den der verstorbenene Top-Journalisten Günter Gaus im Jahre 2003 als den grössten Opportunisten bezeichnete, den er je kennengelernt habe, und, wie er sogleich hinzufügte, er würde viele dieser Sorte kennen.

E Mail avpaleske@botsnet.bw

Josef Joffe und das Gespenst des drohenden Todes der Tageszeitungen
Der Fall Hypo-Alpe-Adria- Bank (Skandalpe) – Ein österreichisch-deutsches Schmierenstück.
Wolfgang Kulterer – vom „erfolgreichsten Bankmanager“ zum bestraften Bilanzfälscher
BayernLB–Zahltag: Hunderte Millionen für Skandalbank Hypo-Alpe

linkJörg Haiders Hypo-Alpe (Skandalpe) auf dem Balkan
Der Fall Susanne Klatten-eine Nachlese
Der Fall Susanne Klatten und die Presse

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BayernLB – Verlustbank, Problembank, Skandalbank, Albtraumbank

Dr. Alexander von Paleske – 28.11. 2008 — Anfang der 50er Jahre wurde ein Schunkellied in Deutschland populär, gerade auch ich der Faschingszeit oft gesungen:

„Wer soll das bezahlen, wer hat das bestellt,
wer hat so viel Pinke Pinke, wer hat so viel Geld?“

Bezogen auf die Bayern LB gibt es jetzt nach der Krisensitzung in München im Hinblick auf den mittlerweile auf 30 Milliarden Euro angewachsenen Finanzbedarf einfache Antworten:

Bestellt hat es die Skandalbank BayernLB, bezahlen soll der Bundesbürger und die Pinke hat der Bund sowie das Land Bayern aus den Steuereinnahmen bzw. der Neuverschuldung.

Ein Privatunternehmer wäre unter den gleichen Umständen längst pleite und hätte Konkurs bzw. Insolvenz anmelden müssen. Die BayernLb als Anstalt des öffentlichen Rechts soll jedoch weiter am Leben erhalten werden, komme was da wolle und koste es, was es wolle.

Die Mittel dazu werden vom Staat bereitgestellt, der diese vorwiegend über eine Neuverschuldung hereinholen will.
Im normalen Geschäftsleben bezeichnet man so etwas als Wechselreiterei.

Diese „BayernLb Neuverschuldung“ , verursacht durch globale Zockerei, beträgt vom Volumen her schon jetzt schon fast die Hälfte dessen, was der Freistaat Bayern in 63 Jahren an Schulden insgesamt angehäuft hat.

Eine Landesbank als Fass ohne Boden
Im März diesen Jahres überraschte die BayernLb die Oeffentlichkeit mit einem Finanzloch von drei Milliarden Euro. Verursacht durch den Einkauf von Schrottpapieren auf dem US Markt, auch Subprimes genannt. Verstärkt noch durch den Handel mit den Zockerpapieren „Swaps“ über die Lehman Pleitebank.

Im Juni vergrösserte sich das Finanzloch auf 4,8 Milliarden Euro. Frohgemut kündigte der neue Vorstandsvorsitzende Michael Kemmer eine „Marktoffensive“an.
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Statt der angekündigten Marktoffensive gab es nur eine Verlustoffensive. Der Verlustbetrag – in offiziellen Verlautbarungen verschleiernd „Kapitalbedarf“ genannt – stieg auf 6,4 Milliarden im Oktober, und auf schliesslich 10 Milliarden Euro jetzt. Gleichzeitig stieg der „Garantiebedarf“ auf 20 Milliarden, macht zusammen 30 Milliarden Euro.

Das „Prinzip Hoffnung“ oder: Die Zukunft einer Illusion
Hinter dem „Garantiebedarf“ verbirgt sich vor allem die Verbürgung für unsichere Kredite und Papiere, die bezüglich der Rückzahlung bzw. der Kurserholung von dem „Prinzip Hoffnung“ leben. Hoffen, dass es so wird, wie es einmal war, wohl eine Illusion, in Wüstengebieten auch als „Fata Morgana“ bekannt.

Diese Garantie übernimmt nun der Bund, während der Freistaat Bayern für die fälligen Verluste aufkommt.

Jetzt kommt es nur noch darauf an, den Hartz IV -Empfängern sachgerecht zu vermitteln, warum der Staat für die Banken eine Art Banken- Hartz IV Programm „de Luxe“ erfinden musste, anstatt mit den Steuergeldern den Hartz IV-Empfängern ein menschenwürdigeres Dasein zu ermöglichen.

Diese hatten ja schliesslich, im Gegensatz zu den Banken, ihr Geld nicht bei Casinogeschäften verspielt.

Der neue Finanzminister Georg Fahrenschon hat schon einmal den Anfang gemacht. Er behauptete, die Landesbank sei „systemrelevant“.

E-Mail avpaleske@botsnet.bw

BayernLB – Vom stolzen Adler zum „gerupften Suppenhuhn“
BayernLB-Tochter Hypo-Alpe, Bilanzfälschung und eine Frau mit Zivilcourage
Wolfgang Kulterer – vom „erfolgreichsten Bankmanager“ zum bestraften Bilanzfaelscher
Der Fall Hypo-Alpe-Adria- Bank (Skandalpe) – Ein österreichisch-deutsches Schmierenstück.
Neues von der Hypo-Alpe und aus der Meinl-Welt“
linkRepublik Oesterreich – Finanzskandale ohne Ende
linkNeues aus der Swap-und Meinl-Welt
linkBayernLB, Hypo Group Alpe Adria und kein Mangel an Skandalen
linkNeues von den Finanzskandalen, BayernLB, Hypo Alpe, Meinl
Finanzkrise, Bankenkrisen, Kleinanlegerbetrug – Hat die Finanzaufsicht BaFin versagt?
Finanzgauner, ihre Opfer und die BaFin

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Der Fall Susanne Klatten – Eine Abschlussbemerkung

Dr. Alexander von Paleske – Susanne Klatten hat sich nun erstmals in einem Interview mit der Financial Times Deutschland geäussert.

Kernsätze:
Ich habe in den zwölf
Monaten gelernt, mit dem Leben anders umzugehen.
Meinen Perfektionismus weiter abzulegen
Gelassener zu werden
Ich habe mir die Aufgabe gestellt, fröhlich zu sein.

Frau Klatten, Sie haben erfahren, was es heisst, gedemütigt zu werden.Sie sind hereingelegt worden in übler Weise, kein Zweifel. Sie haben neben den Enttäuschungen, die jeder im Laufe des Lebens erfährt, das viel schmerzhaftere Gefühl der Demütigung kennengelernt. Das ist etwas, was viel länger anhält, was tiefer geht als eine Enttäuschung.

Daher sollten Sie jetzt verstehen, wie es Herrn Soerensen gegangen ist, als er bei der Firma Varta im Jahre 1972 anklopfte um eine Spende zu erbitten. Ihm wurde nicht nur die Spende zur Finanzierung eines Erholungsheims für ehemalige KZ-Häftlinge verweigert, sondern ihm als Begründung genannt, dort habe es nie ein KZ gegeben.

Haben Sie nicht die Abschlusszene in dem Film „Das Schweigen der Quandts“ gesehen, wo Herr Soerensen allein auf dem Sockel des Dekmals in Hannover sitzt, neben sich einen Kranz, den er dort niedergelegt hat? Ein Denkmal in Erinnerung an die Opfer des KZ Stoecken, das sich auf dem AFA-Gelände (jetzt Varta) befand?.

Ein Denkmal, das nicht auf dem Varta Gelände errichtet werden durfte, wo aber problemlos seinerzeit ein KZ errichtet werden konnte nicht aber später ein Gedenkstein an die Opfer. Hat Sie diese Szene nicht gerührt? Hat Sie das alles nicht betroffen gemacht?

Hat das nicht bei Ihnen die Idee ausgelöst „ Ich habe selbst erfahren, was es bedeutet gedemütigt zu werden. Ich kann das Unrecht bei der AFA nicht wiedergutmachen, aber ich kann mich der Vergangenheit stellen“, so wie es seinerzeit auch der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker gefordert hatte in seiner berühmten Rede am 8.5.1985 zum 40. Jahrestags der deutschen Kapitulation?

Hat das bei ihnen nicht den Gedanken ausgelöst „Ich gehe auf Herrn Soerensen zu, der in einer noblen Geste sich bereiterklärt hat, im Falle einer Entschuldigung zu vergeben“? Ich kann mir vorstellen, dass Ihnen ein solcher Schritt viele Sympathien eingebracht hätte.

Aber wir reden im Konjunktiv
Wer nicht bereit ist, das Gefühl des Verständnisses für andere aufzubringen, sollte auch nicht erwarten oder gar einfordern, Mitleid oder Sympathie von anderen zu erhalten.

Was die deutsche Presse an angeblichem oder wirklichem Mitleid mit Ihnen geäussert hat, grenzt schon an Heuchelei. Die Diskussionen in den Redaktionskonferenzen dürften einen ganz anderen Tenor gehabt haben.

Wenn z.B. jemandem wie Frau Ypsilanti das passiert wäre, da hätte die Presse nicht bei Hirnforschern und Psychologen angefragt. Da hätte es wohl gehiessen: „Geil und Dumm“

Ihr finanzieller Hintergrund hat Sie vor derart abfälligen Kommentaren in der Presse bewahrt. Sie haben sich nun die Aufgabe gestellt , fröhlich zu sein. Na denn.

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Der Fall Susanne Klatten-eine Nachlese
Der Fall Susanne Klatten und die Presse

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Ulrich Maurer: Mehrheit gegen Bundeswehreinsatz – Wir werden uns genauso zur Wehr setzen, wie in Heiligendamm

Thomas Mitsch – Als Teilnehmer der Abgeordnetenfahrt des parlamentarischen Geschäftsführers der Linksfraktion im Bundestag Ulrich Maurer nach Berlin, konnte ich in seinem Berliner Büro einige Fragen an ihn stellen.

Thomas Mitsch: Erstmal danke Uli, dass du dir die Zeit nimmst. In der letzten Zeit habe ich einige Versammlungen besucht, bei denen das Thema Afghanistan immer wieder angesprochen wurde. Das Parlament hat ja vor kurzem den Afghanistaneinsatz um 14 Monate verlängert und man munkelt, dass dieser Beschluss eine Art Wahlmanipulation ist, da dann der erneute Beschluss einer Verlängerung des Einsatzes nicht in den Bundtagswahlkampf im Jahr 2009 fällt.

Ulrich Maurer: Ja, das ist ganz eindeutig. Man will so vermeiden, dass die nächste Auseinandersetzung über den Kriegseinsatz vor den Bundestagswahlen stattfindet. Das geschieht deswegen, weil sie genau wissen, dass die Mehrheit der Bevölkerung gegen einen Bundeswehreinsatz ist.


Ulrich Maurer: Es hat sich jetzt schon abgezeichnet, dass die Vertreter aus CDU/CSU, SPD und FDP mit einigen wenigen Ausnahmen den Kriegseinsätzen wieder zustimmen werden.

T.M.: Ich konnte dich diese Woche schon mal sprechen hören und da sagtest du, dass eine Sondersitzung im Bundestag stattfindet. Worum ging es in dieser Sitzung?

U.M.: Bei dieser Sitzung ging es um das sogenannte OEF-Mandat und um die erste Lesung dazu. Operation Enduring Freedom, da geht es nicht nur um die Verlängerung in Afghanistan sondern auch um das Horn in Afrika. Es hat sich jetzt schon abgezeichnet, dass die Vertreter aus CDU/CSU, SPD und FDP mit einigen wenigen Ausnahmen den Kriegseinsätzen wieder zustimmen werden.

T.M.: In letzter Zeit ging es in der Presse immer wieder um das „Nein“ Irlands zum EU-Vertrag und in diesem Zusammenhang auch um den Lissabon-Vertrag. Wie wirken sich diese Punkte auf die militär- und sicherheitsrelevante Politik der EU und Nato aus?

U.M.: Der Vertrag von Lissabon hat zwei wesentliche Aspekte, die dazu führen, dass wir ihn rigoros ablehnen. Das eine ist, dass im Grunde genommen die Europäische Kommission für die Ausbreitung des Neoliberalismus steht und das zweite ist die Militarisierung der EU- Außenpolitik. Wobei es darum geht, dass die EU Streitkräfte aufstellt, die für die internationalen Kriege der USA zur Verfügung gestellt werden bzw. wir mittlerweile so weit sind, dass die EU selber sagt sie wolle der Rohstoffe wegen Kriege führen.

T.M.: Nächstes Jahr steht das 60-jährige Nato-Jubiläum an. Drei Veranstaltungsorte sind mit Straßburg, Kehl und Baden-Baden gefunden worden. Beteiligt sich die Linke an den Protesten?

U.M.: Wir beteiligen uns natürlich. Wir werden uns genauso zur Wehr setzen, wie in Heiligendamm, weil wir nicht zulassen wollen, dass Leute, die Krieg als Mittel der Politik befürworten, ungestört feiern können. Es muss schon deutlich gemacht werden, dass dieser Krieg in unserem Land abgelehnt wird. Ich vermute wir werden den gleichen staatlichen Aufmarsch zur Abwehr von Demonstranten wie in Heiligendamm erleben.

T.M.: In Baden-Württemberg mobilisiert ja das Friedensnetz und die Gewerkschaften. Was aber noch aktueller ist, ist das geplante, schärfere Versammlungsgesetz. Glaubst du, dass die Regierung und die Landesregierung aus Angst vor Massenprotesten mit solchen Gesetzen vorbeugen will?

U.M.: Ich glaube, das ist schon so. Angefangen mit dem Versuch die Bundeswehr im Innern einzusetzen, über Änderung des Versammlungsrechts und diverse andere Maßnahmen. Damit kann die Staatsmacht legal z.B. gegen Massenproteste wegen der Wirtschaftskrise oder auch anderen Protesten vorgehen. Da ist natürlich der „Kampf gegen den Terrorismus“ ein guter Deckel.

T.M.: Wenn das Versammlungsgesetz so umgesetzt wird, dann dürfen doch Polizisten oder z.B. Krankenschwestern oder Pfleger nicht mehr in ihrer Dienstkleidung demonstrieren, oder?

U.M.: Nach dem Gesetzesentwurf in Baden-Württemberg wäre dies tatsächlich so. Das wird sie aber nicht darin hindern, wenn eine Demonstration genehm ist, nicht einzugreifen. Das dürfte dann Auslegungssache sein.

T.M.: Vielen Dank für das Gespräch

Das Interview wurde in der Kalenderwoche 45/2008 in Berlin geführt. Ulrich Maurer ist parlamentarischer Geschäftsführer der Linksfraktion im Bundestag und Thomas Mitsch ist Mitglied der BAG rote reporter/reporterinnen

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Deutschlands atomare Zukunft

Michael Schulze von Glaßer – Langsam versank die Sonne am Horizont, an diesem Mittwochabend – dem 5. März 2008. In den Straßen der Münsteraner Innenstadt tummelten sich noch zahlreiche Menschen – die meisten PendlerInnen und StudentInnen hatten den Heimweg angetreten. Die Menschenmassen drängten sich durch den schäbigen Hauptbahnhof der Domstadt. Züge fuhren ein und aus – alles schien normal. Selbst als sich ein langer Güterzug durch den Bahnhof schob schien diese Rushhour wie an jedem anderen Werktagsabend zu sein. Einzig das vermehrte Polizeiaufkommen, eine kleine Gruppe Demonstranten und winzige gelbe Schilder an den Güterwaggons hätten die ahnungslosen Menschen am Hauptbahnhof nachdenklich stimmen können – was war in dem Güterzug?

Man schmeckt es nicht, man riecht es nicht: nur die kleinen „radioaktiv“-Schildchen an den dunkelroten und braunen Güterwaggons lassen die Fracht erahnen – radioaktiver Atommüll. Keine abgebrannten Brennstäbe wie bei Castor-Transporten, sondern abgereichertes Uran – so genanntes Uranhexafluorid – fährt mehrmals im Jahr durch das Münsterland.


Sieht harmlos aus, steckt aber voller radioaktivem Uranhexafluorid: ein Atommülltransport (hier kurz vor der Durchfahrt durch den Münsteraner Hauptbahnhofs am 9. April 2008). © Michael Schulze von Glaßer

Per Zug wird die gefährliche Fracht zunächst von der Stadt Gronau über die Stationen Steinfurt – Münster – Greven – Rheine – Bad Bentheim – Almelo (Niederlande) bis nach Rotterdam gebracht – dabei passiert der Zug noch zahlreiche andere Städte. Im Rotterdamer Hafen wird der deutsche Atommüll auf ein Schiff verladen. Über Nord- und Ostsee geht es bis ins russische Sankt Petersburg. Die letzten rund Zweitausend Kilometer bis zum Ziel legt der Atommüll wieder per Güterzug zurück. Endstation: Sibirien.

Die Urenco
Seit dem 15. August 1986 ist in der westfälischen Stadt Gronau die erste und einzige Urananreicherungsanlage Deutschlands in Betrieb. Nahe der Grenze zu den Niederlanden und zum Bundesland Niedersachsen wird seit dem Uran angereichert. Betreiber der Anlage ist der multinationale Konzern Urenco. Dieser gehört zu drei gleichen Teilen dem britischen und niederländischen Staat und der Uranit GmbH. Diese gehört wiederum zu gleichen Teilen den großen deutschen Energiekonzernen E.on und RWE. Die Urenco betreibt außerdem Anlagen im britischen Capenhurst und dem niederländischen Almelo. Neben der Urenco-Anreicherungsgruppe produziert der zweite Geschäftsbereich – die Urenco-Technologiegruppe – Zentrifugen für Anreicherungsanlagen. Bisher waren die einzigen Abnehmer die eigenen Anlagen – Ziel der Urenco-Technologiegruppe ist jedoch die weltweite Vermarktung ihrer Zentrifugen für Urananreicherungsanlagen. Vielleicht wird die Urenco ihre Technologie aber auch schon bald nach Indien liefern, dass neuerdings Atomtechnik aus Deutschland importieren darf – Indien ist dem Atomwaffen-Sperrvertrag noch immer nicht beigetreten und war daher 34 Jahre lang bei Atomfragen international isoliert.

Im Jahr 2007 hatte die Urenco Limited – es handelt sich um ein Unternehmen britischen Rechts – einen Umsatz von knapp über einer Milliarde Euro. Der Reingewinn 2007 betrug 238,5 Millionen Euro. Das Unternehmen beschäftigt weltweit rund 2 000 Menschen.

Gefährliche Urananreicherung
In der Gronauer Urananreicherungsanlage wird – wie in allen Anlagen der Urenco – Uran–238 im Zentrifugenverfahren angereichert. Natur-Uran besteht zu etwa 99,3 Prozent aus Uran–238 und nur zu etwa 0,7 Prozent aus Uran–235, das nötig ist, um es in Reaktoren (oder in Atombomben) spalten zu können. Daher ist eine Anreicherung auf 3 bis 5 Prozent Uran–235 (bei Atombomben auf 90 Prozent und mehr) erforderlich. Je öfter das Uran die Zentrifugen, die zu hunderten in den Anlagen stehen, durchläuft, desto höher der Anreicherungsgrad – eine militärische Nutzung der Anlage kann daher niemals ausgeschlossen werden. Dies ist im Übrigen auch der Grund für die umstrittene Anreicherungsanlage im Iran.

Experten schätzen, dass Deutschland innerhalb weniger Wochen in der Lage ist eine eigene Atombombe zu bauen – das Know-how ist vorhanden und der nötige Spaltstoff kann in Gronau problemlos angereichert werden. Relativ unbekannt ist auch, dass die Urenco eine Mitverantwortung beim Bau der pakistanischen Atombombe trägt. Zwischen 1972 und 1976 arbeitete der pakistanische Ingenieur Abdul Kadir Khan für einen Unterauftragnehmer in der Urenco-Anlage im niederländischen Almelo. Dort hatte er wegen unzureichender Sicherheitsmaßnahmen Zugriff auf Pläne zum Bau einer fortschrittlichen Urananreicherungsanlage.

Nach dem ersten Atomwaffentest Indiens im Jahr 1974 verhalf Khan der pakistanischen Regierung mithilfe der Urenco-Pläne zum Bau einer eigenen Anreicherungsanlage. Dort entstand das Spaltmaterial für die pakistanische Atombombe – Abdul Kadir Khan gilt daher als Vater des pakistanischen Atomwaffenprogramms. Khan wird zudem Vorgeworfen die Urenco-Pläne auch an Libyen, Nordkorea und den Iran verkauft zu haben. Der US-Geheimdienst CIA soll ebenfalls seine Finger im Spiel gehabt haben – aufgehalten wurde der Spion aber nicht.


Die Urananreicherungsanlage in Gronau.. © Google Earth

Das Uran für die Gronauer Anlage bezieht die Urenco aus Uranminen in Kanada, Australien, Südafrika und Kasachstan. Bevor damit jedoch gearbeitet werden kann muss es in einer so genannten Konversionsanlage in Hexafluorid umgewandelt werden – das Uranhexafluorid (UF6) für die Gronauer Anreicherungsanlage kommt zu großen Teilen aus Frankreich. Genauer aus dem Atomkomplex Pierrelatte/Tricastin. Die Anlage gelang im Sommer 2008 zu trauriger Berühmtheit nachdem dort 100 Mitarbeiter durch einen defekten Schlauch aus dem radioaktives Material austrat kontaminiert wurden. Bereits zwei Wochen zuvor traten 74 Kilogramm Uran aus der Anlage aus und gelangten in zwei Flüsse. Noch im Jahr 2006 wurden große Mengen UF6 per Zug von Südfrankreich quer durchs Ruhrgebiet in die Gronauer Anlage transportiert.

Heute erreicht das hochgefährliche Material die Anreicherungsanlage auf weniger Aufsehen erregenden aber weitaus unsicheren Lastkraftwagen. Auch diese sollen durch den größten Ballungsraum Deutschlands fahren. Bereits im Jahr 2003 verunglückte ein mit einem UF6-Container beladener Sattelschlepper in der Nähe von Almelo. Glücklichweise trat kein radioaktives Material aus. UF6 ist nur leicht strahlend aber hochgiftig. Kommt das Uranhexafluorid mit (Luft) Feuchtigkeit in Berührung reagiert es zu hochgiftiger Flusssäure. Die Säure kann sich gasförmig ausbreiten und ist stark ätzend. Einige Tropfen auf der Haut oder einatmen genügen zum sicheren Tod. Nach Austritt soll sich gasförmige Flusssäure innerhalb weniger Stunden mehrere Kilometer ausbreiten können und ganze Landstriche verseuchen.

Uranhexafluorid ist aber nicht nur der Ausgangsstoff für die Urananreicherung sondern auch das Abfallprodukt – durch die Anreicherung entstehen zwei Uran-Fraktionen. Dem kleinen angereicherten und spaltbaren Uranteil steht ein großer abgereicherter UF6-Teil gegenüber: auf eine Tonne angereichertes Spaltmaterial entfallen 5,5 Tonnen abgereichertes Uranhexafluorid. Es entsteht also massenhaft gefährlicher Atommüll in der Gronauer Anlage. Dieser lagert hundertfach in großen Containerartigen 12,5 Tonnen-Fässern. Da die Lagerkapazitäten auf dem Urenco-Gelände direkt neben der Anreicherungsanlage begrenzt sind und giftiger Atommüll auch für ein mieses Image sorgt, transportiert die Urenco ihren Atommüll seit 1995 nach Russland.

Gefährliche Atommülltransporte
Der unscheinbare Güterzug, der am 5. März 2008 durch den Münsteraner Hauptbahnhof rollte, war einer dieser Atommülltransporte nach Russland. Neben der begrenzten Lagerkapazität und dem Imageverlust sind es vor allem die Kosten, die einen Transport des abgereicherten Urans nach Russland lukrativ machen: rund 200 Millionen Euro würde eine Lagerung in Gronau schätzungsweise kosten. Um diese zu sparen bedient sich die Urenco auch juristischer Tricks: laut Gesetz darf deutscher Atommüll nicht einfach außer Landes geschafft werden.

Daher deklariert die Urenco ihren Atommüll als „Wertstoff“. Das abgereicherte Uran kann nämlich immer noch begrenzt genutzt und sogar noch angereichert werden – dies ist jedoch nicht wirtschaftlich. Urenco behauptet, dass der Atommüll zur Anreicherung nach Russland transportiert wird – das aber passiert mutmaßlich zu über 90 Prozent nicht. Von den 28 000 Tonnen Uranhexafluorid, die zur Anreicherung nach Russland geschickt wurden, kamen seit den 1990er Jahren nur rund 1 700 Tonnen zurück – der Rest verbleibt in Russland. Käufer ist die russische Firma Techsnabexport (Tenex), die Anreicherungsanlagen in Russland betreibt. Die Verträge für die Transporte wurden 1995 unterzeichnet, der erste Atommülltransport von Gronau nach Russland fand 1996 statt.

Damals hatte Russland zum einen große Überkapazitäten bei der Urananreicherung, die es hoffte mit dem Material aus Westeuropa besser nutzen zu können. Zum andern wurden damals sehr viele Atomwaffen außer Betrieb gesetzt: die hoch angereicherte Uransprengköpfen wurde mit abgereichertem Uran vermischt, um die Konzentration zu verringern und die Waffen untauglich zu machen. Bei Vertragsabschluss ging es jedoch um viel weniger Uranmüll als es heute der Fall ist. Für die russische Regierung macht die Einfuhr von Uranhexafluorid heute keinen Sinn mehr. Deshalb wird Tenex die unter Beteiligung der deutschen und russischen Regierung und der europäischen Atomgemeinschaft EURATOM zustande gekommenen Verträge voraussichtlich nicht verlängern – der Vertrag endet mit Ablauf des Jahres 2009.


Auf dem Weg nach Russland durchqueren die Atommülltransporte Städte mit insgesamt rund 10 Millionen Einwohnern, die einer erheblichen Gefahr ausgesetzt werden. © Michael Schulze von Glaßer

Zudem sind die Medien durch den jahrelangen Protest von AtomkraftgegnerInnen mittlerweile auf die umstrittenen Machenschaften der Urenco aufmerksam geworden. Im Jahr 2007 brachte ein Beitrag des ZDF Politmagazins Frontal 21 über die unseriösen deutschen Uranmüllgeschäfte der Urenco den medialen Dammbruch. Seitdem häufen sich die kritischen Berichte über die Urenco-Deutschland. Sogar international sorgt das Unternehmen für negativ-Schlagzeilen.

Als sich die französische Anti-Atom-Aktivistin Cécile Lecomte im Januar 2008 zwischen zwei Bäumen über die Gleise abseilte und einen Atommülltransport von Gronau nach Russland für mehr als sechs Stunden blockierte sorgte dies international für Aufsehen – selbst der Nachrichtensender BBC berichtete. Genau dies will die Urenco vermeiden – so ging das Unternehmen auch nicht juristisch gegen die französische Kletterakrobatin vor. Die Urenco-Atommülltransporte blieben dennoch in der Presse, da die vollkommen überforderten Polizeikräfte kurzerhand die GSG 9 – eine Antiterroreinheit der Bundespolizei – in den Wald in der Nähe der Kreisstadt Steinfurt beordert hatte um die Aktivistin auf den Boden zu holen. Aus dem fernen Sankt Augustin wurden die Spezialkräfte ins Münsterland geflogen um die Aktivistin abzuseilen.

Der Einsatz einer Antiterroreinheit gegen die Atomkraftgegnerin sorgte für großes Medieninteresse. Noch ein halbes Jahr später – im Juni 2008 – sorgte die Kletteraktion für Schlagzeilen: das Amtsgericht Steinfurt wies den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Erlass eines Strafbefehls wegen Nötigung ab. Das Amtsgericht sah es als erwiesen an, dass die Atomkraftgegnerin keine Gewalt angewendet hat. Es wurde nichts beschädigt und der Zug hätte ohne Berührung unter der Aktivistin her fahren können, urteilte Richter Voosholz. Nur auf Grund bloßen subjektiven Gefahrenverdachts seitens der Polizei kam der Zug zum stehen.

Eine Ordnungswidrigkeit sah das Gericht ebenfalls nicht für gegeben, weil die Aktivistin sich in Höhe von mindestens 8 Meter – und somit außerhalb der Bahnanlage die bis 4,8 Metern bemessen ist – aufgehalten hat. Lecomte hat ihrerseits Rechtsmittel gegen die nach der Aktion erfolgte Festnahme durch die Polizei eingereicht – dies steht noch zur Verhandlung. Ein herber Rückschlag für Polizei und Urenco. Zu deren Überraschung seilte sich die unerschrockene Aktivistin im vergangenen Juni abermals über die Gleise ab. Trotz mehrerer Polizeihundertschaften und Hubschraubern, die das Gleisbett überwachten, schaffte es die junge Atomkraftgegnerin den Zug in luftiger Höhe für mehr als eine Stunde zu blockieren – die Kletterer der Polizei waren diesmal schneller vor Ort.

Spektakuläre Blockadeaktionen sind aber nicht der einzige Protest gegen die gefährlichen Atommülltransporte der Urenco. Die gut vernetzten Anti-Atom-Initiativen im Münsterland schaffen es mittlerweile in fast allen Bahnhöfen, die der Zug passiert, spontane Proteste zu organisieren – seit 2006 wird gegen die Atommülltransporte demonstriert. Zudem finden seit einigen Jahren auch in anderen Ländern Proteste statt: in den Niederlanden – wo der deutsche Atommüll im Hafen von Rotterdam auf ein Schiff verladen wird – hat die Umweltschutzorganisation Greenpeace allein durch die Anwesenheit eines ihrer Schiffe im Januar 2008 zu einer mehrstündigen Verzögerung beim verladen geführt.


Protest gegen Atommülltransporte von Gronau nach Russland in Münster am 5. März 2008. © Michael Schulze von Glaßer

In Russland sind es die Umweltschutzorganisationen Bellona und Ecodefense, die die Atommülltransporte regelmäßig mit Protest begleiten – und dabei nicht selten im Gefängnis landen. Zudem gehen die RussInnen juristisch gegen die Transporte vor. Drei russische Umweltschützer haben im letzten Jahr gegen die Urenco Deutschland GmbH wegen Verdachts auf illegalen Atommülltransport nach Russland geklagt. Die Staatsanwaltschaft Münster hat das Verfahren aber bereits im Mai 2007 eingestellt – wie sich herausstellte, wurden dabei aber weder unabhängige Experten gehört, noch belastende Beweise ernsthaft geprüft.

Daher forderten die Kläger – zusammen mit Initiativen aus dem Münsterland – im November 2007 die Wiederaufnahme des Verfahrens – das bis heute andauert. Die RussInnen sind besonders von den Transporten betroffen. Russland ist nicht nur Atommülllager für das deutsche Uranhexafluorid – Müll kommt auch aus Großbritannien und Frankreich. Die RussInnen sorgen sich um ihre Umwelt. Der Atommüll aus der Urananreicherungsanlage Gronau wird vor allem in Tomsk eingelagert. In der westsibirischen Stadt leben über eine halbe Millionen Menschen. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde Tomsk zum Zentrum der sowjetischen Atomindustrie. Heute sind die meisten Nuklearanlagen stillgelegt.

Die Region wird dennoch weiter kontaminiert: Satellitenbilder zeigen korrodierte UF6-Behälter. Die Behälter lagern – der widrigen sibirischen Witterung ausgeliefert – unter freiem Himmel. Urenco weißt alle Vorwürfe die russische Umwelt wissentlich zu schädigen von sich und schiebt die Schuld auf die russische Tenex. Dabei geht selbst von den geschlossenen Fässern eine radioaktive-Gefahr aus: am 5. März 2008 wurde die Strahlung mithilfe eines Geigerzählers vor und während der Durchfahrt des Uranmüllzugs am Münsteraner Hauptbahnhof gemessen: 0,12 Mikrosievert zeigte das Gerät an, bevor der Zug durchfuhr – als der Zug in etwa fünf Metern Entfernung zum Messgerät vorbeirollte, betrug die Strahlung das 13-Fache: 1,64 Mikrosievert.


Mit einem Geigerzähler wurde die Strahlung vor der Durchfahrt des Urantransportes durch den Münsteraner Hauptbahnhof (links) und während der Durchfahrt des Zuges (recht) gemessen – die Strahlung war 13-Mal höher als zuvor! Der Abstand des Messgerätes zum Zug betrug etwa 5 Meter. © Michael Schulze von Glaßer

Der Wert ist zwar immer noch niedriger als der bei Castor-Transporten – eine dauerhafte Strahlung dieser Dosis ist für Mensch und Natur dennoch schädlich. Der deutsche Atommüll verstrahlt aber nicht nur die Umwelt, sondern kann auch militärisch genutzt werden. Abgereichertes Uran wird wegen seiner enormen Dichte beispielsweise für panzerbrechende Granaten – so genannte DU-Munition – verwendet. Auf die Frage, an wen die Urenco ihren Abfall verkauft lies das Unternehmen verlauten, dass die „rein geschäftliche Angelegenheiten […] grundsätzlich nicht veröffentlicht werden“. Eine militärische Nutzung des deutschen Atommülls für russische Granaten kann daher nicht ausgeschlossen werden.

Der Atommülltransport vom 5. März 2008 bestand aus 19 Waggons – also 75 UF6-Fässern à 12,5 Tonnen. Einem Sprecher der Bundespolizei zufolge, soll es im Jahr 2008 keine weiteren Atommülltransporte nach Russland geben. Laut E.on-Chef Wulf Bernotat und RWE-Chef Jürgen Großmann – beide Unternehmen sind über die Uranit GmbH an der UAA-Gronau beteiligt – sollen die Transporte 2009 ganz eingestellt werden. Urenco-Sprecher Raimund Weber verweist indes nur darauf, dass der Vertrag mit Tenex erst mit Ende des Jahres 2009 abläuft. Ob es nach den vier Urantransporten in diesem Jahr also noch weitere geben wird bleibt abzuwarten.

Urenco auf Expansionskurs

Zurzeit kann die Urenco mit der Anreicherungsanlage in Gronau maximal 1 800 Tonnen Uran im Jahr trennen. Damit können rund fünfzehn große Atomkraftwerke mit Spaltstoff versorgt werden. Fast genug um alle deutschen Meiler zu versorgen – doch gehören nicht nur deutsche Kraftwerksbetreiber zu den Abnehmern des angereicherten Urans aus Deutschland. Die Urenco ist nicht vom so genannten Atomausstieg betroffen – was ein Skandal ist.

Stattdessen setzt das Atomunternehmen auf Export und Expansion: der zweite Teil der Anreicherungsanlage soll nach langer Verzögerung demnächst in Betrieb gehen. Schon im Sommer 2007 kündigte die Urenco die Inbetriebnahme der so genannten „UAG-2“ für Oktober gleichen Jahres an. Daraus wurde nichts. Über die genaue Ursache schweigt die Urenco. Mutmaßlich gab es beim Bau der komplizierten Anlage Probleme. Auch über die Kapazität schweigt sich die Urenco aus. Die Entwürfe des Projekts aus dem Jahr 2005 sahen aber eine Kapazität von 4 500 Tonnen „Urantrennarbeit“ jährlich vor – dies entspricht einer Menge von 7 000 Tonnen Natururan.

Damit hätte die UAA-Gronau die weltweit fünftgrößte Kapazität bei der Urantrennung und könnte laut Experten rund fünfunddreißig große Atommeiler versorgen. Mit dem Ausbau der Anlage steigt zudem das Risiko. Gegen einen Flugzeugabsturz ist die Urananreicherungsanlage nicht geschützt – bei der „UAG-2“ wurde dieses Szenario wahrscheinlich ebenfalls nicht bedacht. Pannen werden durch den Ausbau zunehmen: bereits im Sommer 2006 trat aus der Anlage uranhaltiges Wasser aus, und verseuchte die Umwelt radioaktiv. Bei Reparaturarbeiten wurde danach festgestellt, „dass die vorgesehene Gesamtmenge an verflüssigtem Uranhexafluorid überschritten war“, so die Urenco. Dem Ziel ihren Marktanteil, der heute bei 23 Prozent liegt, zu erhöhen und dem erklärten Ziel der Urenco, Weltmarktführer bei der Urananreicherung zu werden kommt das Unternehmen mit der Inbetriebnahme der „UAG-2“ einen gewaltigen Schritt näher – wenn die Anlage überhaupt irgendwann in Betrieb geht.

Durch den Ausbau der Anlage verschärft sich jedoch auch das Müllproblem der Urenco. Im Oktober 2008 gab die Föderale Agentur für Atomenergie Russlands der Tenex angehört bekannt, die bestehenden Atommüllimportsverträge nicht weiter zu verlängern. Damit scheint nun festzustehen, dass die Urenco auf dem Gelände der Urananreicherungsanlage in Gronau ein Zwischenlager für Atommüll errichten wird. Mit dem letzten Genehmigungsbescheid für die „UAG-2“ hat die Urenco in Zusammenarbeit mit der nordrhein-westfälischen Landesregierung auch die Erlaubnis zum Bau eines atomaren Zwischenlagers für 60 000 Tonnen Uranoxid eingeholt. Mit dem Bau des unpopulären Zwischenlagers soll aber so spät wie möglich begonnen werden – mit dem Bau wurde noch nicht begonnen. Das Urenco-Zwischenlager wäre dann neben Ahaus das zweite atomare Zwischenlager im Münsterland.

Der Bau würde für die Urenco aber nicht nur immense Kosten und einen Imageverlust in der Region bedeuten, sondern auch weitere Atommülltransporte. Da in dem Zwischenlager nur Uranoxid gelagert werden dürfte, muss das Abfallprodukt Uranhexafluorid umgewandelt werden. Die notwendige Dekonversionsanlage gibt es im südfranzösischen Atomkomplex Pierrelatte/Tricastin der Betreiberfirma Areva. Die Urenco plant allerdings die Errichtung einer eigenen Dekonversionsanlage am britischen Standort Capenhurst. Das langfristig angelegte Projekt befindet sich aber noch in der Entwurfsphase. Egal wo das Hexafluorid in Oxid umgewandelt wird: es wird mehr Transporte geben als bisher.

Wie schlampig die Transporte durchgeführt werden zeigt eine Panne vom 4. Oktober 2007: ein Uranmüllzug von Gronau nach Russland überquerte bei Burgsteinfurt einen völlig ungesicherten Bahnübergang im Dunkeln, obwohl sowohl die Schranken als auch das Warnlicht wegen eines Defekts ausgefallen waren. Gegenüber der Lokalpresse behauptete die Urenco noch am folgenden Tag, der Mülltransport sei völlig reibungslos verlaufen. Die Deutsche Bahn AG wie auch die Bundes- und Kreispolizei verschwiegen die Schrankenpanne. Erst als sich nach sechs Tagen AugenzeugInnen bei der Lokalzeitung meldeten und von der defekten Schranke und dem „Geisterzug“ berichteten kam die Wahrheit ans Licht.

Deutschlands atomare Zukunft
Da die Urananreicherungsanlage im nordrhein-westfälischen Gronau nicht vom so genannten Atomausstieg betroffen ist, gehört sie zur atomaren Zukunft der Bundesrepublik. Der massive Ausbau der Anlage scheint dies zu zementieren. Die gefährlichen Atommülltransporte werden in absehbarer Zeit zunehmen. Den skrupellosen Machenschaften der Urenco werden die AtomkraftgegnerInnen aus dem Münsterland aber nicht tatenlos zusehen – weitere fantasievolle Proteste wurden angekündigt. Es bleibt zu hoffen, dass sich auch die Bevölkerung der 49 000 Einwohner-Stadt an einer neuen Diskussion über die Urananreicherungsanlage, die gefährlichen Atommülltransporte und das atomare Zwischenlager beteiligt.

Schon heute kämpft die Urenco um ihr Image – sponsert das Gronauer Jazzfest und bezuschusst die Stadtbücherei jährlich mit 20 000 Euro. „In Gronau gibt es kaum einen Verein, kaum eine Schule, die nicht gesponsert wird“, so Udo Buchholz vom Arbeitskreis Umwelt Gronau. Ob die Propagandamaschine funktioniert oder die Argumente der AtomkraftgegnerInnen zur Schließung der Urenco-Anlage führen wird die Zukunft zeigen.

Dieser Text ist die Langfassung des Artikels „Das Geschäft mit dem Uran“ von Michael Schulze von Glaßer, der in der Wochenzeitung Freitag am 6. November 2008 erschien.

deutschland

Der Fall Susanne Klatten – eine Nachlese

Dr. Alexander von Paleske —- 6.11. 2008 — Der Fall Susanne Klatten kommt etwas aus den Schlagzeilen, Grund genug, eine Nachlese vorzunehmen. Erwartungsgemäss lag die Tendenz der Artikel in der deutschen Presse die einen mehr, die anderen weniger auf der Mitleidswelle: Arme reiche Frau.

Wirtschaftsgefährdende Schadenfreude
Die Financial Times Deutschland warnte darüberhinaus eindringlich vor Häme. Unter dem Titel „Gefährliche Schadenfreude“ wird von der FTD das Gespenst des Rückzugs der Quandt-Klatten Familie und der Ueberdenkung ihrer Investments an die Wand gemalt. Es könne doch niemand ein Interesse daran haben, dass sie ihr Geld einem Dax Unternehmen entziehen, gerade jetzt in der Krise. Also, man muss vorsichtig mit diesen Menschen umgehen. Aber das reichte natürlich nur für einen, bestenfalls zwei Artikel.

Psychologen und Verhaltensforscher an die Front
Also musste jetzt tiefschürfend nachgefragt werden: Wie kommt eine solche Frau dazu, auf einen solchen Mann reinzufallen… Dazu wurden gleich mehrere Hirnforscher, Verhaltensforscher und Psychologen bemüht.

ZEIT-online/Tagesspiegel zitierte die US-amerikanische Neurologin Antonia Damasio und befragte die Psychologin von der Humboldt- Universität, Annakathrin Schacht sowie den Psychologen Philipp Kanske vom Institut für Kognitions-und Neurowissenschaften. Auch der Psychologieprofessor Peter Walschburger von der Freien Universität in Berlin durfte sich erklärend bei diesem schwerwiegenden Thema zu Wort melden. Der Hirnbotenstoff Dopamin, bzw. dessen Fehlen soll bei Gigolo-Affären eine Rolle spielen.

Da will BILD sich nicht lumpen lassen, auch bei ihr kommt Walschburger zu Wort. Nunmehr als Biopsychologe bezeichnet. Und natürlich FOCUS aus dem Hause Burda, auch hier wieder der Bioprofessor Walschburger. Von einem sinnengewollten Chaos im Gehirn ist die Rede. Dieses hat offenbar etwas mit der Arterhaltung Mensch zu tun.

Auch die Anthropologin und Liebesexpertin Helen Fisher aus den USA wird zitiert. Der schweizerische Tagesanzeiger interviewt die Psychologin Onken. Also war Frau Klatten offenbar das Opfer atavistischen Dopaminmangels zielgerichtet im Nachvollzug atavistischer Menschheitserhaltungstriebe, vereinfacht aMET. Tja, da war sie also zweimal Opfer, einmal der Erpressung und dann der aMET.

In dieser Lage wäre es geradezu schändlich, sie auch noch zu einem Opfer der Presse zu machen.

Toller Mut?
Tollen Mut habe sie gezeigt, meinen viele Zeitungen. Trotz der zweifachen Opferrolle sei sie zur Polizei gegangen, und habe sich damit dem Risiko einer über sie herfallenden Presse ausgesetzt. Hut ab.

Mut soll ihr hier keineswegs abgesprochen werden. Zum Thema Mut fällt mir im Zusammenhang mit den Quandt Firmen aber eher die Gruppe der dänischen Widerstandskämpfer ein, die 1944 im KZ Stoecken auf dem Gelände der zum, Quandt-Konzern gehörenden AFA-Werke, später Varta für ihren Kampf gegen den Hitler Faschismus büssen mussten. Sie wurden in der AFA-Fabrik giftigen Bleidämpfen ausgesetzt, einige kamen um. Nur wenige sind heute noch am Leben,einer davon ist Carl-Adolf Soerensen, der auch in dem FernsehfilmDas Schweigen der Quandts“ zu Wort kam.

Quandt, Springer und die Dänen
Dem Herrn Soerensen, mittlerweile 82 Jahre alt, wurde seinerzeit eine Entschädigung seitens der Quandt-Firma verweigert und zwar mit einer Begründung, die einer Demütigung gleichkommt:“Es habe dort kein KZ gegeben“. Und wo kein KZ, da keine KZ Häftlinge
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Selbst an einer kleinen Geste hat es bis heute gegenüber diesem Überlebenden, der noch immer an seinem KZ-Trauma leidet, offenbar gefehlt. Auch als die dänischen Widerstandskämpfer, die, wie Ruediger Jungbluth in seinem Buch „Die Quandts“ schreibt, nach dem Kriege Kontakt hielten im Jahre 1972 bei der VARTA um einen finanziellen Zuschuss zu einem geplanten Erholungsheim für ehemalige KZ Häftlinge baten, da wurden sie brüsk abgewiesen.

Die gleiche Erfahrung machte übrigens auch Jan Reemtsma, der Geld sammelte für eine Gedenkstätte auf dem Gelände des ehemaligen KZ Neuengamme, dessen Aussenstelle das KZ Stoecken auf dem Grundstück der Quandt-Firma AFA war, und woher Quandt seine Arbeitskräfte bekam.

Schlappe DM 5000 spendete die Quandt-Firma, und das erst auf Nachbohren von Reemtsma, gegen Spendenquittung zwecks Steuerabzug versteht sich.

Eher kommt man offenbar als Gigolo zu 7,2 Millionen mit einer frei erfundenen Geschichte, denn als ehemaliger KZ -Insasse und Zwangsarbeiter mit seiner wahren Lebensgeschichte an einen Bruchteil davon.

Nun soll erst einmal ein Historiker tätig werden aber viel Zeit bleibt den Quandts nicht mehr für eine kleine Geste gegenüber Soerensen,soweit sie das überhaupt jemals vorgehabt hätten.

Da war selbst der Pressezar Axel Springer, der nie etwas mit den Nazis am Hut hatte, einfach besser. Der vermachte ein von ihm gekauftes sehr wertvolles dänisches Gemälde an das Museum in Skagen mit der Begründung: Die Dänen waren (unter Hitler) ein so tapferes Volk, haben so viele Menschen vor den Nazis gerettet (M. Juergs „Der Fall Axel Springer“ S. 114f).

Quandt, Flick und die Zwangsarbeiterentschädigung
Immerhin haben die Quandt- Firmen sich nicht vor der Einzahlung in den Entschädigungsfond für Zwangsarbeiter gedrückt, das sollte hier nicht unerwähnt bleiben, anders als die Flick-Erben. Dem mittlerweile verstorbenen Milliardenerben Friedrich Karl Flick war ausserdem selbst die Erbschaftssteuer in Deutschland noch zu hoch, also wanderte er mit (Geld)Sack und Pack in das Erbschaftssteuerparadies Oesterreich aus.

Dort darf nun ein Banker namens Wolfgang Kulterer, zur Zeit vor Gericht stehend wegen angeblicher Bilanzfälschung, sich um den Flick- Nachlass kümmern. Kulterer war auch ein Freund des jüngst verstorbenen Joerg Haider, österreichischer Rechtsaussen und Bewunderer faschistischer Arbeitsmarktpolitik. So schliesst sich der Kreis.
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Ende gut, alles gut
In Sachen Klatten-Gigolo steht noch der Strafprozess in diesem Jahr an, bei dem auch intime Details zur Sprache kommen sollen, aber da wird das Gericht dann wohl die Oeffentlichkeit ausschliessen.

Ist doch alles gar nicht so schlecht gelaufen, Frau Klatten. Hätte doch alles viel schlimmer kommen können. Die Ehe ist auch nicht in Gefahr, und, wie ich gestern las, gibt Ihre Familie Ihnen Kraft, also alles letztlich paletti.

Und schön, dass Sie jetzt mit Interviews in den italienischen Zeitungen REPUBLICA und CORRIERE DELLA SERRA in die Offensive gehen, Schlagzeile „Sgarbi (der Gigolo) war faszinierend“.

Richtig gefreut hat mich, dass Sie die 7,5 Millionen Euro nach Rückzahlung nicht etwa wieder in die eigene Tasche stecken wollten, Pardon in den Koffer, der so schwer war, dass Sie ihn kaum tragen konnten, wie sie berichten, sondern vielmehr vorhatten, zu spenden. Das zeigt doch eigentlich, wie grossherzig Sie in Wirklichkeit sind. Schade dass es nicht geklappt hat, sonst hätte vielleicht auch Herr Soerensen noch was abbekommen. Vielleicht beim nächsten Mal…

E-Mail: avpaleske@botsnet.bw

Der Fall Susanne Klatten und die Presse
Kurzer Prozess für den Klatten-Gigolo?
Klatten-Gigolo Prozess: Grund zur Zufriedenheit?
Der Fall Susanne Klatten: Ein Strafprozess der prozessualen Erbärmlichkeiten?
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Wolfgang Kulterer – vom „erfolgreichsten Bankmanager“ zum bestraften Bilanzfälscher