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Grenzabschottung in Mauretanien – Frontex mischt mit

Felix Werdermann – Frontex? Das ist der derzeit „größte institutionalisierte Gegner“ in Europa. Hagen Kopp von der Initiative „kein mensch ist illegal“ spart nicht an Kritik. Am Mittwoch diskutierten in Berlin Aktivistinnen und Aktivisten aus der antirassistischen Bewegung über die Rolle der EU-Grenzschutzagentur und die Folgen der Abschottung Europas. Zu Gast war der mauretanische Menschenrechtsaktivist Amadou M’Bow.

M’Bow befindet sich auf Europa-Reise: Von Amsterdam bis Warschau berichtet er über die Abschottungsmaßnahmen an den EU-Außengrenzen. Er kommt von der Menschenrechts-organisation „Association Mauritanienne des Droits de l`Homme“ (AMDH) und wird am Samstag vor der Frontex-Zentrale in Warschau protestieren. Eine „Protest-Belagerung“ soll es vor dem Hauptquartier der 2005 gegründeten Grenzschutzagentur geben, heißt es in dem Aufruf, den unter anderem das No-Borders-Netzwerk Polen unterzeichnet hat.


Aus dem Publikum kommt die Frage, ob man die Situation als „Belagerungszustand“ treffend beschreiben könne. Links: Harald Glöde von den Veranstaltern, Mitte: Amadou M’Bow (AMDH) Rechts: Christopher (Übersetzung)

Um dafür zu mobilisieren hat die Polen-AG der Antirassistischen Initiative (ARI) in den Berliner Mehringhof geladen. Dort erzählte M’Bow von der Situation in Mauretanien, dem Staat mit knapp über 3 Mio. Einwohnern im nordwestlichen Afrika. Mauretanien grenzt an Mali und Senegal, von dort kämen auch die meisten Flüchtlinge, die versuchten, nach Europa einzureisen. Mauretanien sei für viele ein Transit-Land.

Frontex auf mauretanischer See: „Belagerungszustand“
„Die Migration ist so alt wie die Zivilisation selber“, so M’Bow. Er stelle sich die Frage, woher „diese Angst in Europa“ komme, dass zu „so einem Instrument wie Frontex gegriffen wird“. Spanien hat mit Mauretanien ein Grenzschutzabkommen geschlossen, daher sind (europäische) Frontex-Einheiten auf mauretanischer See legal im Einsatz. Aus dem Publikum kommt die Frage, ob man die Situation als „Belagerungszustand“ treffend beschreiben könne. Ja, dem könne er zustimmen, so M’Bow. Die seit der mauretanisch-spanischen Kooperation neu geschaffenen Abschiebelager seien allerdings kein „Guantanamo“, wie dies von anderen Kritikerinnen und Kritikern vorgeworfen wird.

Spanien stellt Mauretanien nicht nur das technische Abschottungs-Equipment zur Verfügung, die spanischen Behörden bildeteten inzwischen auch mauretanische Polizisten aus, berichtet M’Bow. Es könne nicht sein, dass spanische Militärs und Polizisten in einem souveränen Staat wie Mauretanien Grenzkontrollen duchführten. Er forderte ein Ende der Kooperation mit Spanien.

Internationale Anerkennung eingekauft
Das wäre seiner Meinung nach durchaus möglich: Der neue Präsident habe das Abkommen nicht geschlossen, daher gebe es noch „Hoffnung“, dass dieses aufgekündigt werde, wenn auf die Gefahren ausreichend hingewiesen werde. Wie es zu dem Abkommen kam? Dafür sieht M’Bow zwei entscheidende Gründe: Vor allem habe sich die mauretanische Regierung dadurch nach dem Staatsstreich ihre internationale Anerkennung eingekauft. Aber die Kooperation mit den Metropolen des Wohlstands habe auch dazu geführt, dass Mauretanien weniger Schulden abbezahlen musste. 2005 haben die G8-Staaten beschlossen, dem seit 2000 als hochverschuldet eingestuftem Land einen Teil der Schulen zu erlassen.

Das Kooperationsabkommen ermögliche es, dass kleine Boote von Frontex-Schiffen immer wieder nach Mauretanien zurückgeschickt werden und die Menschen in Abschiebelager gesteckt werden, berichtet M’Bow. Immer noch besser als die Praxis von Mauretanien: Ein Fall sei bekannt geworden, in dem Mauretanien durch Nichteingreifen dafür gesorgt habe, dass ein Schiff mit Flüchtlingen untergegangen sei. 30 Personen hätten dabei ihr Leben verloren.

Festnahmen auf Verdacht
Dies soll sich nun ändern, wenn es nach dem Innenministerium geht: Zumindest ist das die offizielle Rhetorik. Der oberste Sprecher des Ministeriums habe angekündigt, sich ab dem 1. Juni strikt an die Genfer Flüchtlingskonvention zu halten. Vielleicht hören dann die „Festnahmen auf Verdacht“ auf, wie sie M’Bow nennt. In manchen Fällen reiche das Tragen eines Benzinkanisters aus, um der illegalen Boots-Überfahrt nach Europa beschuldigt zu werden.

Mauretanisches Innenministerium: Strikte Einhaltung der Flüchtlingskonvention
Eine Aktivistin aus dem Publikum warf die Frage auf, ob man denn aus antirassistischer Perspektive überhaupt einen positiven Bezug auf die Genfer Flüchtlingskonvention nehmen könne, schließlich mache sie eine „Trennung auf zwischen richtigen und nicht richten Flüchtlingen“. Gemeint ist damit, dass die Konvention nur die Flüchtlinge anerkennt, die wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung verfolgt werden. Wer aus Hunger, wirtschaftlicher Not oder anderen Gründen flieht, genießt nicht die Rechte. Außerdem äußerte die Frau aus dem Publikum die Vermutung, dass die offizielle Einhaltung der Konvention „Abschiebungen nach Mauretanien erleichtern“ solle. Die EU übe daher Druck auf andere Länder aus, das Abkommen zu unterzeichnen, das 1951 geschlossen wurde und als Lehre aus dem Zweiten Weltkrieg verstanden werden kann.

„Kein Grund, dagegen vorzugehen“
M’Bow reagierte auf den Einwand, indem er zugab, dass unklar sei, welches Interesse hinter der Verkündung seitens des Innenministeriums stehe. Er betonte jedoch, dass es in der Vergangenheit Fortschritte gegeben habe durch Deklarationen, auf die sich bezogen werden konnte: „Wir als zivilgesellschaftlicher Akteur versuchen die Einhaltung zu überwachen.“ Harald Glöde von den Veranstaltern sprang M’Bow zur Seite: Aus einer antirassistische „Grundposition“ heraus sei internationaler Flüchtlingsschutz zu befürworten. In Bezug auf die Erklärung des mauretanischen Innenministeriums gebe es „keinen Grund für irgendeine mauretanische Menschenrechts-Organisation, dagegen vorzugehen.“ Stattdessen sei es „unser Problem“, wie die EU das Abkommen nutzt.

Aber hat denn die Zusammenarbeit mit der EU gar keine positiven Effekte? Ein Aktivist aus dem Publikum wollte wissen, ob sich durch die Geldzahlungen der EU nicht die soziale Lage verbessert habe. Nach Einschätzung M’Bows ist dies keineswegs der Fall: Es gebe zwar NGOs, die sich um EU-Gelder bewerben – gar welche, die extra für diesen Zweck gegründet würden – aber das Geld, das bislang geflossen ist, sei „natürlich nicht angekommen bei der Bevölkerung“.

Perspektiven antirassistischer Vernetzung
Antirassistische Perspektiven wurden am Mittwochabend ebenfalls diskutiert: M’Bow erklärte, für dieses Jahr sei eine Konferenz geplant mit Vertreterinnen und Vertretern aus Mali, Senegal und der Elfenbeinküste; man wolle den Austausch und die Zusammenarbeit im antirassistischen Spektrum voranbringen. Auch das Sozialforum der Maghreb-Staaten stehe unter dem Motto „Ein Maghreb ohne Mauern“. In Deutschland werden die Diskussionsrunden eher auf dem antirassistischen Camp in Hamburg weitergeführt, das vom 15. bis zum 24. August stattfindet.

Aber zuvor geht es noch zur Zentrale der Grenzschutzagentur Frontex in Warschau. Dort findet eine antirassistische Konferenz statt, am folgenden Tag soll der Sitz von Frontex belagert werden. Das soll aber nicht alles sein. In dem Aufruf heißt es: „Machen wir den 6. Juni in Warschau zum powervollen Auftakt einer langfristigen transnationalen Kampagne gegen FRONTEX, gegen das Monster des europäischen Grenzregimes!“

Frontex-Watch

Frontex: Buh-Mann der Festung Europa oder humanitäre Service-Einheit?
Festung Europa – „Leaving is not always living“

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Stockholm – Schwedischer Soldat „vergisst“ geheime Daten in Bibliothek

onlineredaktion – Fälle absonderlicher Vergesslichkeit kommen nicht jeden Tag bei den schwedischen Streitkräften vor. So mutet es mehr als seltsam an, dass ein „Angehöriger der schwedischen Streitkräfte“ einen USB-Stick mit Geheimmaterial in den Computer einer öffentlichen Bibliothek in Stockholm steckt, ihn vergisst wieder aus dem Computer zu nehmen und ein „unbekannter Finder“ ihn dort findet und zur größten Boulevard-Zeitung Schwedens, der Redaktion von „Aftonbladet“ bringt. Ebenso eigenartig ist es sicherlich, dass nach Angaben von „Aftonbladet“, die den USB-Stick gewiss nicht unbesehen der Armee zurückgab, sich unter den Daten vertrauliche Informationen zu improvisierten Sprengvorrichtungen und zur Minengefahr in Afghanistan befanden; außerdem ein vertraulicher Bericht des US-Geheimdienstes.

Die Daten mögen echt sein, die Geschichte drum herum mutmaßlich nicht mehr als eine Schutzbehauptung.

Stress beim schwedischen Militär. „Aftonbladet“ weiß „alles“ – zumindens was ein USB-Stick ist und wo hinein man ihn steckt.

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Festung Europa – „Leaving is not always living“

Die Festung Europa wird mit allen Mitteln verteidigt – direkt an den Grenzen und seit neuestem sogar in den Ländern aus denen die Flüchtlinge stammen: Ein legitimer Abschreckungsversuch?

Michael Schulze von Glaßer – Ein Regenschauer mit Blitz und Donner zieht über die Stadt. Ein junger Mann steht in einer Telefonzelle und wählt eine Nummer. Am anderen Ende der Leitung klingelt ein Telefon. Ein älterer Mann mit weißem Bart liest gerade Zeitung. Er sitzt auf einem schwarzen Sofa in einem gemütlich aussehenden Raum, ein Bild hängt an der Wand, darunter auf einem kleinen Beistelltisch neben dem klingelnden Telefon ein zweites mit dem Portrait des jungen Anrufers.

Der ältere Herr geht ans Telefon: „Hallo!“ klingt es aus dem Hörer. „Ich bin’s Christian“ – „Ah, Christian – wie geht es dir?“ erwidert der Mann, der offenbar der Vater des Anrufers ist. Christian geht es gut und auch auf die Frage des Vaters, ob er gut angekommen sei, antwortet der junge Mann „Ja – es gab keine Probleme bei der Reise“. Der junge Mann sagt, er wohne zusammen mit Freunden. „Verheimlichst du mir etwas?“ fragt der Vater – „Nein, wirklich nicht“, ist die Antwort darauf.

Er sei nur die ganze Zeit durch die Stadt gerannt und hatte einen stressigen Tag. „Hast du dich in der Uni eingeschrieben?“ – „Ja, habe ich…“. Christian fragt seinen Vater, ob es seinen Brüdern und Schwestern gut geht: „Ja, ihr Unterricht ist pünktlich gestartet“. Dem Vater geht es auch gut. Christian bittet seinen Vater noch alle von ihm zu grüßen, dann endet das Telefonat nach einer kurzen Verabschiedung.

Welch Harmonie! Was sich wie ein Telefonatmitschnitt aus der „Lindenstraße“ anhört, ist jedoch pure Abschreckung. Das Ganze ist eine fast zwei Minuten lange Fernsehwerbung – doch hier soll nicht für etwas geworben werden, sondern gegen etwas. Der junge Mann, der im Regen steht; ist kein „normaler“ Mensch, sondern soll einen illegal eingewanderten jungen Afrikaner darstellen. Auch der Vater am anderen Ende der Leitung sieht afrikanisch aus.

Die Harmonie wird spätestens durch die in dieser „Anti-Werbung“ gezeigten Bilder zerstört. Als der Vater seinen Sohn nach der Unterkunft fragt, und dieser behauptet mit Freunden zusammen zu leben, werden Obdachlose unter einer Brücke gezeigt. Christian hetzte auch nicht umsonst durch die Stadt, an dieser Stelle des Telefonats werden Jagdszenen gezeigt – Christian rannte scheinbar vor Polizisten weg. Der Höhepunkt: Anstatt, dass der junge Afrikaner studiert, bettelt er am Straßenrand mit einem kleinen Schild – „Aidez moi“ – „Helfen Sie mir“ – der ganze Film ist auf Französisch. Was das Ganze soll, wird im Abspann deutlich „Glauben Sie nicht alles was Sie hören – Ausreisen ist nicht immer leben – Internationale Organisation für Migration“.

Der Werbefilm soll Menschen aus der Dritten Welt, speziell aus Afrika, davor abschrecken in die Industrienationen einzuwandern – eine Kampagne der EU und der Schweiz, die das rund 250.000 Euro teure Projekt finanzieren. Neben dem Werbespot wird auch in Radios und auf Flyern dafür „geworben“, nicht in die Industrienationen einzuwandern. Der Fernsehwerbespot lief erst kürzlich in der Halbzeitpause des Fußballländerspieles der Herren-Nationalmannschaften Schweiz – Nigeria. Auch in Kamerun werben die EU und die Schweiz dafür, nicht in Europa einzuwandern – Verhandlungen mit dem Kongo wurden auch schon aufgenommen.

Es stellt sich die Frage ob es legitim ist, die Menschen aus den verarmten Ländern Afrikas davor zu warnen, dass für sie in den europäischen Industrienationen „Milch und Honig“ nicht fließen oder ob es einfach nur eine dreiste Kampagne gegen afrikanische Migranten ist. Zunächst sollte aber die Frage gestellt werden, was die „Macher“ dieser Kampagne eigentlich für ein Weltbild haben.

Die Idee für die Kampagne hatte Eduard Gnesa (55) vom Schweizer Bundesamt für Migration: „Die Flüchtlinge sollen sich keine falschen Vorstellungen machen von der Schweiz“, so Gnesa zu seiner Schockkampagne. Doch welche Vorstellung hat der Direktor des Bundesamtes von Afrika? Wäre das Thema nicht so ernst, könnte man meinen es handele sich bei dem Fernsehspot um eine Satire – die stilistischen Mittel wurden übertrieben auffällig verwendet.

Natürlich steht der arme Christian mitten in finsterer Nacht an der Telefonzelle im Regen und sein Vater daheim in einer behaglichen Wohnung. Warum ist Christian überhaupt ausgewandert, wenn sein Vater – dem Wohnraum und der Kleidung nach zu urteilen – zur reichen Oberschicht gehört? Auch an Hunger scheint der gut genährte Vater nicht zu leiden.

Ein weiterer Kritikpunkt: Um sich bei einer Universität bewerben zu können, bedarf es eines hohen Bildungsgrades, den die meisten Menschen aus den Ländern der Dritten Welt nicht erreichen können – es sei denn, sie kommen aus der kleinen aber reichen Oberschicht. Der Fernsehspot ist also höchst unrealistisch und wegen seiner peinlichen Fehler unglaubwürdig. Doch ist die Absicht der Kampagne – den Flüchtlingen zu zeigen, dass sie sich keine Falsche Hoffnung machen sollen – ebenso unglaubwürdig? Oder geht es schlicht um das eigene nationale Interesse der EU und der Schweiz keine weiteren Menschen mehr rein zu lassen?

Den meisten Migranten, die illegal in die EU oder die Schweiz einwandern, geht es sehr schlecht wie das Beispiel EU zeigt: Schon die Anreise gestaltet sich schwierig und endet nicht selten tödlich. Allein im Jahr 2006 sollen 6.000 Menschen, beim Versuch von Afrika aus mit einem Boot auf die zu Spanien gehörende Inselgruppe Kanaren zu gelangen, ums Leben gekommen sein. Rund 31.000 Menschen überlebten die gefährliche Reise in den wackeligen „Nussschalen“, die meist vom 1.300 Kilometer entfernten Senegal startet.

An der kanarischen beziehungsweise spanischen EU-Außengrenze wurden im Jahr 2006 rund 4.000 Flüchtlinge von den Behörden aus dem Meer gefischt und wieder in ihre Ursprungsländer zurück geschickt – oftmals wieder in den gefährlichen kleinen Booten, die nach der langen Fahrt meist in einem miserablen Zustand sind, ganz zu schweigen von fehlender Verpflegung und unmenschlichen Bedingungen an Bord der meist überfüllten Boote.

Es gibt auch Menschen, die sich für Flüchtlinge einsetzen: Am 24. November 2007 demonstrierten im nordrhein-westfälischen Neuss hunderte Menschen gegen die Abschiebung von Ausländern.

Nicht viel anders sieht die Situation in Griechenland aus. Täglich versuchen Flüchtlinge von der Türkei aus in die EU zu gelangen. Oft über den Landweg – doch mittlerweile sind die Kontrollen scharf, daher versuchen die verzweifelten Menschen per Boot Griechenland und somit die EU zu erreichen. Im Wirrwarr der griechischen und türkischen Kleininseln in der Ägäis hat die Küstenwache allerhand zu tun – teilweise sind die Inseln der beiden Staaten nur ein paar Kilometer voneinander entfernt und per Paddelboot zu erreichen. Besonders die griechischen Inseln Samos, Chios und Lesbos sind immer wieder Ziel von Flüchtlingen.

Dennoch ist die Überfahrt alles andere als eine Sight-Seeing-Tour wie es die Touristen in der Region gern machen: Viele Migranten verlieren bei der Überfahrt ihr Leben. Nicht selten werden Leichen an den Stränden der griechischen Urlaubsinseln angespült.

Obwohl die Migranten meist nichts verbrochen haben, werden sie in so genannte Lager und auch Abschiebeknäste gesteckt – ohne Anklage. In Neuss gibt es einen Abschiebeknast speziell für Frauen.

Neben den kanarischen Inseln und Griechenland versuchen es die meisten Menschen von Afrika aus nach Malta beziehungsweise Italien zu gelangen. Auch hier verlieren immer wieder Menschen ihr Leben. Allein im Mittelmeer sollen laut UNHCR – dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen – 2007 rund 500 Flüchtlinge ertrunken sein. Jedoch merkt die Organisation an, dass die wirkliche Zahl weit höher ist; manchmal sinken die kleinen Boote der flüchtenden Menschen und hinterlassen keine Spur.

Inoffizielle Zahlen sprechen von über 1.000 ertrunkenen Menschen die an der EU-Festung ihr Leben ließen. Haben die oft vertriebenen Menschen das rettende Ufer erreicht geht das Leid weiter – viele besitzen nur das, was sie am Körper tragen – wenig Startkapital für ein neues Leben. Werden die Menschen wie in den meisten Fällen von den Behörden aufgegriffen kommen sie in Lager.

In Griechenland und anderen EU-Staaten können sie bis zu 3-Monate eingesperrt werden – ohne etwas verbrochen zu haben und ohne Chance auf irgendwelchen Rechtsanspruch. Die Lager sind allzu oft überfüllt und laut Amnesty International herrschen miserable und unmenschliche Zustände. Auch gegen die Küstenwache erhebt die Menschenrechtsorganisation so wie der UNHCR schwere Misshandlungsvorwürfe – so kursieren Gerüchte von Flüchtlingen die mit verbundenen Händen zurück ins Meer geworfen wurden. Die griechische Küstenwache steckt in der Zwickmühle:

Oft erwischen sie Menschen in kleinen Booten, dabei die EU zu erreichen. Die Küstenwache hält die Menschen auf – nimmt sie eventuell an Bord oder – wenn der türkische Küstenstreifen noch in Sichtweite ist – zwingt sie gleich in ihrem Boot zur Umkehr. Die Flüchtlinge landen so oder so an der Grenze zwischen Internationalem Gewässer und türkischem Gewässer – begleitet von der griechischen Küstenwache. Diese darf jedoch nicht ins türkische Gewässer eindringen und kann die Flüchtlinge daher nicht in der Türkei – die Flüchtlinge noch schlechter behandelt – „abliefern“. Wie also die Flüchtlinge zwingen alleine ans türkische Festland zu rudern?

Viele Flüchtlinge berichten davon, dass ihr Schlauchboot von der griechischen Küstenwache nahe türkischem Hoheitsgewässer zerstochen wurde um die Menschen dazu zu zwingen flott in Richtung nächstgelegenes Ufer eben das der Türkei – zu paddeln. Fotos aufgeschlitzter Schlauchboote an den Küsten belegen dies. Eine andere Methode die auch angewendet wird ist, den Flüchtlingen einfach zu sagen, dass die Küste zu Griechenland gehört. Die Menschen paddeln dann freiwillig und mit dem Gedanken bald das rettende EU-Ufer erreicht zu haben in ihr Verderben – die Küstenwache dein Freund und Helfer?
Die Organisation Pro Asyl brachte im Oktober 2007 eine sehr gute Broschüre über die Schicksale der Flüchtlinge in der Ägäis heraus (Link siehe unten)

Nicht nur die Ausländerinnen und Ausländer müssen in der Schweiz und in der EU mit staatlicher Repression und Gewaltanwendung rechnen – auch Menschen die sich wie auf der Demonstration in Neuss für Flüchtlinge einsetzen werden kriminalisiert: ein Polizist hält auf der Demonstration schon einmal den Knüppel bereit um – falls der Befehl kommt – auf die Menge der Demonstranten (die Menschen im Hintergrund) einzuprügeln.

Die Wahrheit ist doch: die EU und die Schweiz sind selbst Schuld am Leid der Flüchtlinge. Nicht nur, weil die Einreise der Menschen mit allen – auch menschenrechtswidrigen – Mitteln verhindert wird. Erst einmal in der EU angekommen geht das Leid weiter. Nichts mehr zu sehen von Menschenrechten. Oftmals leben die Menschen in der Illegalität – müssen beispielsweise um zu überleben für einem Hungerlohn auf spanischen Obstplantagen arbeiten oder werden anderweitig – auch sexuell – ausgebeutet. Hinzu kommt die psychische Belastung – die Angst von den Behörden entdeckt zu werden. Werden sie entdeckt, drohen Gefängnis und Abschiebung – nur weil sie sich auf einem bestimmten Teil der Erde aufgehalten haben: wo ist die Freiheit?

Niemand verlässt seine Heimat freiwillig, die Flucht aus dem Heimatland ist ein großer Schritt, das Leid der Menschen scheint also nicht unerheblich zu sein. Wer in seinem Heimatland keine Zukunft mehr für sich und seine Familie sieht wird sich auch vom schlechten Werbespot der EU und der Schweiz nicht abschrecken lassen. Das es Ausländern in der EU und der Schweiz miserabel geht – wie es auch der Werbespot zeigt – ist die traurige Wahrheit. Was allerdings verschwiegen wird ist, dass die westlichen Nationen selbst die Schuld für die schlechte Situation der Flüchtlinge zu verantworten haben.

Die Verweigerung der Arbeitserlaubnis und schlechte Unterbringung sind nur zwei repressive Maßnahmen, die Flüchtlingen in den westlichen Ländern blühen. Wären die EU und die Schweiz nicht so Ausländerfeindlich, wäre auch der Werbespot überflüssig – so gesehen ist der Spot ein Eingeständnis der EU und der Schweiz an die eigene Menschenverachtung.

PDF-Download:
Broschüre von Pro Asyl „Über die Situation der Flüchtlinge in der Ägäis und die Praktiken der griechischen Küstenwache“
Indymedia Germany (Ralf Streck):
„Frontex sorgt für Tausende Tote“

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Polen – H5N1 in 6 Geflügelzuchtbetrieben

onlineredaktion – Der Fleischmarkt mit Geflügel soll gegenwärtig ziemlich leer sein. Vermutet wird die gestiegene Nachfrage der Verbraucher zum Weihnachtsfest. Einige Hamburger Metzger berichteten nun, man habe ihnen in den vergangenen 14 Tagen aus Polen stammendes Geflügelfleisch angeboten, deren Verfallsdatum abgelaufen sei. Die Tiere, so vermuten die Metzger, seien zu früh geschlachtet worden. Zu früh, wo doch jeder weiß, dass Weihnachten am 25. Und 26. Dezember ist? Könnte es sein, dass es sich um Tiere handelt, die zwangsweise wegen des H5N1-Nachweises gekeult und nicht ordnungsgemäß entsorgt wurden?

Zum wiederholten Mal in diesem Monat ist nämlich im Norden Polens das Vogelgrippe-Virus H5N1 nachgewiesen worden. Wie das polnische Landwirtschaftsministerium mitteilte, stammten die Proben von sechs Geflügelzuchtbetriebe aus Sadlowo Parcele. Das Dorf liegt innerhalb einer Sicherheitszone, die nach dem Fund des Vogelgrippevirus auf einer Hühnerfarm errichtet worden war.

Im Dezember war das Virus H5N1 auf zwei Truthahnfarmen, einem Eierproduktionsbetrieb und auf zwei großen Hühnerfarmen entdeckt worden. Mehr als eine halbe Million wurden Vögel getötet.

Das H5N1-Virus gilt auch für Menschen gefährlich. Seit seiner Entdeckung in Asien 2003 starben daran weltweit 209 Menschen. In der Region im Norden Polens sollen nun 200.000 Hühner aus vier Betrieben gekeult werden.

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Merkel und Sarkozy – Nun wieder einig?

Marcel-Franz Paulé – Sie hatte es unverhohlen gesagt und sich als „Querflöte“ in Sarkzoys Initiative eingemischt, die Mittelmeeranreiner zu einem Wirtschaftsbund zu vereinen – ganz nach dem Vorbild der früheren EWG, aus der die EU wurde. Deutschlands Kanzlerin Merkel wurde nun aber offensichtlich von Sarkozy abgrundtiefen Kontrabass überdröhnt. Ihr Hinweis, Ihre Warnung vom Mittwoch, das Projekt könne „Sprengkräfte in der EU freimachen“, will sie nun nicht mehr als Kritik verstanden wissen. Die Mittelmeerregion sei „unser aller Aufgabe in Europa“, trällerte sie nun und behauptete, darüber sei sie sich mit dem französischen Präsidenten Sarkozy einig. Sie habe nur auf die Gefahr hingewiesen, ein Teil Europas könne sich nach Osten und der andere nach Süden orientieren. Befürchtet sie eine Spaltung der EU? Gibt es diese Spaltung nicht längst in mehrfacher Hinsicht? Gerade erst die Haltung der früheren Regierung Polens hat dies deutlich gemacht.

Zur Erinnerung:
Die vorherige polnische Regierung hatte sich für eine Stimmengewichtung nach dem Prinzip der Quadratwurzel eingesetzt. Dagegen setzte die deutsche EU-Ratspräsidentschaft auf die sogenannte „doppelte Mehrheit“, die auch in der gescheiterten EU-Verfassung festgelegt worden war. Der Vorschlag der Polen, vorgetragen vom damaligen polnischen Ministerpräsidenten Jaroslaw Kaczynski hatte, wie Österreichs Bundeskanzler Alfred Gusenbauer den deutschen öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten ARD und ZDF mitgeteilt hatte, beim Gipfeltreffen in Brüssel „Kopfschütteln auf allen Seiten hervorgerufen“.

Dagegen zeigte der EU-Kommssar Günther Verheugen damals Zivilcourage und warb um Verständnis für die polnische Haltung. Er versuchte zu erklären, wie wenig belastbar und sensibel das deutsch-polnische Verhältnis sei.

Die deutsch-französische Haltung muss auf Polen wie ein Auftritt der „Herrenmenschen“ gewirkt haben. Und natürlich war auch Eifersucht mit im Spiel und das uralte Ringen um Machterhalt der wirtschaftlich Reicheren.

Fazit
Gerade das erinnerte mich nun sehr an Frau Merkels gestern „unverhohlem Gesagtem“. Und nun mit einem Mal eitler Sonnenschein? Gewitter und die damit verbundenen Spannungen können sich schnell entladen. Man nennt es „Blitze“. Die jedoch sah niemand zwischen Merkel und Sarkozy.

Ich kann mir nicht helfen: Wahrscheinlich gibt es noch fest sitzende Blähungen im Freundschaftsklumpen Frankreich-Deutschland. Die aber sollen nun mutmaßlich ganz schnell mittels Public Relation weg gespült werden.

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Querflöte – Merkel durchkreuzt Sarkozys Pläne

Marcel-Franz Paulé – Als Vorbild diene ihm die französisch-deutsche Freundschaft zum Aufbau der EU, nun wolle er die französisch-algerische Freundschaft und die Mittelmeer-Anrainerstaaten vereinen: Deutschlands Kanzlerin Merkel sagte, sie sage das ganz unverhohlen, sie stünde Sarkozys Plänen einer Mittelmeerunion „sehr skeptisch“ gegenüber.

Vielleicht ist es nur Eifersucht bei ihr. Sie unterstellte dem französischen Präsidenten, er wolle sich finanzieller „Instrumente“ der EU bedienen, um seinen Mittelmeer-Klub aufzubauen. Die gemeinsame Zusammenarbeit von einigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union müsse für jeden offen sein, erklärte sie. „Wenn wir ansonsten sagen, wir brauchen jetzt zum Beispiel eine Mittelmeerunion auch, an der nehmen nur die Mittelmeer-Anrainerstaaten teil, aber sie bedienen sich zum Beispiel finanzieller Instrumente aus der Europäischen Union, dann sage ich voraus, dass dann andere sagen werden: Dann müssen wir eine Osteuropa-Union mit Ukraine und ähnlichem machen, die werden dann auch sich dieser Mittel bedienen. (…) – was ich für sehr gefährlich halte.“

Was für eine Merkelei!

Es scheint eine gefährliche Eigenart der Kanzlerin zu sein, mit zickigen Vergleichen für ihren Machterhalt zu sorgen. Gerade jetzt! Bei ihren Wählern soll sie gemäß der wöchentlichen Politumfrage für STERN und RTL Vertrauen eingebüßt haben und der so genannte wirtschaftliche Aufschwung, mit dem sie ihre Regierung gerne schmückt, geht an der Bevölkerung vorbei. Kein Ferkel merkt was von einer wirschaftlichen Erholung.

Hohes Wachstum, weniger Arbeitslose, wahrscheinlich sind die Zahlen des Aufschwungs frisiert. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag des STERN erklärten vier von fünf Bürgern (83 Prozent), sie merkten weder persönlich noch in ihrem Familien- oder Bekanntenkreis etwas von der wirtschaftlichen Erholung. „Hass IV“, pardon: „Hartz IV“ liegt den meisten Leuten übel im Magen. Und wer Arbeit hat, der klagt darüber, dass er fürs gleiche Gehalt mehr arbeiten muss. Freiheit der Ausbeutung? Aufschwung nur für Arbeitgeber?

Frau Merkel sollte nicht mit Steinen werfen, wenn sie noch in ihrem Treibhaus steht.

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Sarkozy – Europas Ekel?

Marcel-Franz Paulé – Deutschlands Kanzlerin Merkel beschwört nicht nur die Mitte, sie will sie auch sein. Ein Schelm, wer da gleich an Altkanzler Kohls Spruch zur Abhöraktion der Stasi denkt: „Wichtig ist, was hinten rauskommt.“ Eine verbale Entgleisung, die wegen ihrer Zweideutigkeit zum „geflügelten Wort“ wurde.

Dass Nicolas Sarkozy, der französische Präsident, nun weniger unbedacht in politischen Äußerungen ist, davon kann gegenwärtig wieder einmal keine Rede sein. Gerade erst trat er ins eigene Fettnäpfchen und behauptete während seines Staatsbesuches in Algerien großspurig, wer einen Araber, einen Muslim oder einen Juden in Frankreich bedrohe, bedrohe die Republik. Offenbar ist er ein solcher Bedroher, denn er hatte im Herbst vor einem Jahr noch als Innenminister behauptet, er wolle mit einem Hochdruckreiniger das „Gesindel“ aus den Vorstädten der französischen Hauptstadt vertreiben und zielte damit genau auf die mehrheitlich muslimischen Jugendlichen, die sich u.a. durch ihn zum Randalieren veranlasst sahen. Für viele dieser aufgebrachten Menge gilt er als… – ach, ich verzichte auf dieses Schimpfwort, um mich nicht auf seine niederträchtige Ebene herab zu begeben.

Seine Ehe scheint schon wegen seines Charakters in die Brüche gegangen zu sein! Nun muss er vermutlich auch noch der EU beweisen, was für ein Mann er ist. Er stieß nämlich die EU vor den Kopf mit seinen Wahlglückwünschen an seinen russischen Kollegen Wladimir Putin.

Diplomaten haben es nicht leicht mit Sarkozy, sondern schwer. Sie klagten, sein Verhalten mache es den 27 EU-Mitgliedern schwer, eine gemeinsame Position zum Vorwurf der Wahlfälschungen zu finden. Seitens der portugiesischen Ratspräsidentschaft kam deshalb heute, nach zweitägigem Ringen um den Wortlaut, nur eine relativ milde Kritik an der Wahl in Russland zustande. Darin bedauert die EU Berichte über Behinderungen von Opposition und nicht staatlichen Gruppen. Man habe die Hoffnung, Russland werde die Vorwürfe aufklären.

Welche Probleme die Europäische Union hat, werden durch diese Differenzen deutlich. Eine gemeinsame Position gegenüber Russland einzunehmen, wird durch das, was mit Sarkozy „hinten heraus“ kam, verhindert.