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Gestern vor 40 Jahren: Nelkenrevolution in Portugal und die Folgen

Dr. Alexander von Paleske — 26.4. 2014 ——
Es war in der Nacht vom 24. zum 25. April 1974, exakt um Mitternacht, als die traurige Stimme des portugiesischen Fado-Sängers Jose Alfonso im Radio erklang: Grandola vila Morena – ein (verbotener) Gesang über Menschen in einem armen portugiesischem Dorf, die sich auf dem Dorfplatz versammeln, um ihre Solidarität zu zeigen.

Signal zum Aufstand
Es war das Signal zum Aufstand. Junge Offiziere hatten sich zum Aufstand verabredet. Offiziere und Soldaten, die es satt hatten, weiter unter der faschistischen Diktatur eines Caetano zu leben, und in Portugals Afrika-Kolonien Mozambique, Angola und Guinea Bissau einen verlorenen und sinnlosen Krieg gegen die afrikanischen Befreiungsbewegungen FRELIMO in Mozambique, PAIGC in Guinea Bissau und MPLA / UNITA und FNLA in Angola zu führen.


25.4. 1974 in Lissabon

Noch dazu ein Krieg, der 1/3 des potugiesischen Staatsbudgets auffrass während gleichzeitig in Portugal Armut herrschte, und rund 30% der Bevölkerung Analphabeten waren.

Zentrale Einheit war die Escola Practica de Cavalaria, der prestigeträchtige Panzerverband, in Santarem, 80 km nördlich von Lissabon, stationiert.

Junge Offiziere allen voran Hauptmann Salgueiro Maia hatten die älteren Offiziere und Befehlshaber festgesetzt, die alle einem Aufstand ablehnend gegenüberstanden. Um 2 Uhr nachts rollte der Verband auf die Hauptstadt Lissabon.

Eine Nachricht über den Rundfunk
Um die gleiche Zeit marschierte ein Luftwaffen-Major in den grössten privaten Rundfunksender Radio Club Portugais, von Aufständischen umstellt, und legte dem Studioleiter einen Zettel hin mit einem Text, den er über Rundfunk verlesen sollte.

Aber es gab ein Problem: Diese Verlesung und weitere Kommuniques sollten von Marschmusik begleitet sein.
„Wir haben keine Marschmusik-Platten hier“ entgegnete der Studioleiter, und so durchstöberte er mit dem Luftwaffen-Major die Plattenständer . Schliesslich fanden sie etwas, was der Forderung am nächsten kam: „A life on the Ocean wave“. Und so war die Verlesung der Botschaft der portugiesischen Revolutionäre um etwa 30 Minuten verzögert, aber sie kam schliesslich durch und an.

Am nächsten Tag versammelten sich Tausende auf dem zentralen Platz Lissabons, dem Largo do Carmo, um die Revolution und die Revolutionäre zu feiern, Nelken steckten sie in die Gewehrläufe.

Das Ende einer Terrorherrschaft

Die Nelkenrevolution vom 25. April 1974, wie sie genannt wurde, beendete 48 Jahre Terror des Diktators Antonio de Oliveira Salazar, und dessen Nachfolger Marcelo Caetano .

Es war aber auch das Ende von Europas erster und letzter Kolonialmacht, die fast 500 Jahre gedauert hatte. Zuletzt hatten 1961 die Inder Portugal aus der Kolonie Goa vertrieben.

Drei faschistische Regime und gute Geschäfte
Die Auswirkungen dieser Nelkenrevolution waren in Europa zu spüren. Drei faschistische Regime gab es damals, neben Portugal noch Spanien unter Franco und die Obristen in Griechenland.

Im gleichen Jahr aber war das Regime in Athen durch den Aufstand der Studenten weggefegt, und Spanien folgte mit dem Tode Francos ein Jahr später, nicht ohne dass zuvor Francos Stellvertreter Carrero Blanco mittels eines Bombenattentats der baskischen Organisation ETA getötet worden war.

Mit all diesen Terrorregimen unterhielt die Bundesrepublik Deutschland gute Wirtschaftsbeziehungen, Spanien avancierte zum Urlaubsland Nr. 1, von Sanktionen und Reiseverboten keine Rede.

Viel Positives aus dem Hause Axel Springer
Dass die Tageszeitungen aus dem Hause Springer wie Bild, Welt und Hamburger Abendblatt viel Lobendes über diese Diktaturen zu vermelden wussten, versteht sich von selbst, obwohl jeder Journalist vor seinem Eintritt in diese „Druckerbude“ Essentials unterschreiben musste, wozu auch die Ablehnung jeder Form von politischem Terrorismus gehörte.

Hier handelte der Verlagsherr Axel Springer offenbar nach der Devise:

„Wer Terrorist ist, bestimme ich

Politisches Erdbeben in Afrika
Die Auswirkungen der Nelkenrevolution waren aber auch und besonders in Afrika zu spüren. Mit einem Schlag war der Kolonialkrieg vorbei, und die Kolonien erhielten ihre Unabhängigkeit.

Das ganze Konzept der US- Afrika-Politik, basierend auf dem sog. Tar Baby Report vier Jahre zuvor, der noch eine lange Dauer der portugiesischen Kolonialherrschaft und der weissen Vorherrschaft im damaligen Rhodesien (Simbabwe) prognostiziert hatte, lag in Trümmern, die Befreiungsbewegungen Südafrikas standen nun „Ante Portas“ und der Befreiungskampf gegen das Regime in Rhodesien verschärfte sich, da nun Mozambique als neues Aufmarschgebiet hinzukam.

Gleichzeitig inspirierten diese Befreiungskämpfe die schwarze Jugend im Apartheid-Südafrika.

Stellvertreterkrieg und verbrannte Erde
Für die nun befreiten Staaten, mit Ausnahme Guinea Bissaus, währte die Freude aber nur kurz: Angola wurde zum Austragungsort für einen Stellvertreterkrieg zwischen den USA und der UdSSR, und zu einem Ort der permanenten Zerstörung durch Terroreinheiten Apartheid-Südafrikas, wie das 32. Buffalo Battalion, die Reconnaissance-Commandos (Recce) und die 44 Parachute Brigade.

In Mozambique betrieben diese Terroreinheiten ebenfalls ihr blutiges Geschäft einschliesslich Zerstörung der Infrastruktur.

Aufstand in Soweto und Ende der Apartheid
Im Apartheid Südafrika selbst brach am 16.Juni 1976 der Schüler-Aufstand in Soweto gegen das Regime los, der auf 160 Städte und Gemeinden übergriff, und rund 17 Monate dauerte, bis er schliesslich vollständig und grausam unterdrückt war.

Bilanz: Steve Biko zu Tode gefoltert, 176 Menschen bereits in der ersten Aufstandswoche getötet, 600 nach einem Jahr.

Trotzdem: Es war der Anfang vom Ende des Apartheid-Regimes. Aber es sollte noch einmal 14 Jahre dauern, und viele Menschenleben kosten, bis das Regime letztlich beigab, Nelson Mandela aus dem Gefängnis entlassen, eine neue Verfassung in Angriff genommen wurde, und schliesslich die ersten freien Wahlen vor fast genau 20 Jahren stattfinden konnten.

Insoweit war die Nelkenrevolution weit mehr als ein Ereignis in Portugal.

Heute gibt es für die Bevölkerung Portugals nach den aufgezwungenen Sparprogrammen nicht mehr viel zu feiern.
Die damaligen Aufstandshelden nehmen deswegen an der offiziellen Gedenkveranstaltung aus Protest auch nicht teil.

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