Medizin

Antibiotika-Resistenz: Spätes Erwachen. Oder: Minister Bahrs Wort zum Sonntag

Dr. Alexander von Paleske — 12.6. 2011 —
Die Antibiotikaresistenz ist alarmierend. Wir haben mehrfach auf diese drohende Gefahr, die viele Errungenschaften der modernen Medizin zunichte machen würde, hingewiesen.

Zeit läuft davon
Die Gefahr droht nicht nur, vielmehr läuft die Zeit davon, noch dringend notwendige Gegenmaßnahmen zu treffen.

Andere Länder haben das immerhin erkannt, so berichtet die international hochangesehene Medizinzeitung LANCET am 28 Mai 2011 (Lancet Vol. 377, Seite 1823 f.) über eine 2-tägige Krisenkonferenz in Sydney / Australien, die im Februar 2011 stattfand, und an der sowohl Vertreter der Humanmedizin, als auch der Veterinärmedizin, und der Pharmaindustrie teilnahmen.

Die Konferenz beschloss, die australische Regierung zu drängen, eine nationale Behörde zu schaffen, die

– Daten sammeln soll über den Verbrauch von Antibiotika

– Kontinuierlich die Resistenzlage ermittelt, und zwar landesweit innerhalb und außerhalb von Krankenhäusern, und im Bereich der Veterinärmedizin, also der Nutztierhaltung, wo Antibiotika massenhaft zum Einsatz kommen, und zwar dauernd
.
– Ratschläge für den sparsamen Verbrauch von Antibiotika geben soll und zwar sowohl in der Humanmedizin wie in der Veterinärmedizin.

50 % überfüssig
Nach Auffassung der Konferenzteilnehmer sind 50% der verschriebenen Antibiotika in der Humanmedizin nicht indiziert, also überflüssig. Das zeigt sich, wenn man den z.B. den Verbrauch in Australien in Relation zu einem Land setzt, in dem die Menschen trotz halb so großem Verbrauchs auch nicht kürzer leben: In den Niederlanden.

Ein Superbug aus Indien
Mittlerweile ist der zuerst in Abwässern in Indien entdeckte, total resistente Stamm, der das Enzym New Delhi Metallo-Betalactamase (NDM-1)produziert – ein potentielles Todesurteil für Patienten bei systemischer Infektion mit diesem Keimen – in Australien wie auch in Südkorea angekommen.

Gleichzeitig tendiert das Interesse der Pharmafirmen, neue innovative Antibiotika zu erforschen und zu produzieren, eher gegen Null, weil sich damit nicht genügend Gewinne erzielen lassen. Stichwort: Nur kurzdauernder Einsatz beim jeweiligen Patienten.

Stattdessen gehen Milliardenbeträge in die Erforschung neuer Arzneien zur Behandlung von chronischen Krankheiten, wo also Patienten dauernd, oder zumindest eine längere Zeit, Medikamente einnehmen müssen (Diabetes, Krebs, Herzerkrankungen, Hochdruck, Rheuma etc.).

Tiermast und Antibiotika
Aber nicht nur in der Humanmedizin, gerade auch in der Veterinärmedizin sind drastische Maßnahmen erforderlich. Dort muss der horrende Antibiotikaverbrauch zur Tiermast massiv zurückgefahren werden, was letztlich nur über die Beseitigung der Massentierhaltung, den sogenannten Tierfabriken und Fischfarmen, möglich sein wird.

Zuletzt hat das EHEC Bakterium, das aller Wahrscheinlichkeit nach mit Bio-Dünger auf die Sprossen kam, und das gegen fast alle herkömmlichen Antibiotika bereits resistent ist, gezeigt, wohin die Reise geht.

Bahrs Wort zum Sonntag
Nun hat sich der Bundesgesundheitsminister Bahr heute zu diesem Thema in der Bild am Sonntag zu Wort gemeldet:.

„In Deutschland müssen Antibiotika gezielter eingesetzt werden, um Resistenzen zu vermeiden“, sagte Bahr der „Bild am Sonntag„. Derzeit würden diese „oft zu breit und nicht spezifisch genug eingesetzt“. Der FDP-Politiker verwies auf Pläne der Bundesregierung, den Antibiotikaverbrauch zumindest in Krankenhäusern künftig zu erfassen“

Man braucht kein großer Fachmann zu sein, um zu erkennen, dass angesichts der kritischen Lage dies geradezu lächerlich ungenügende Maßnahmen sind.

EHEC-Epidemie in Deutschland: Die Finger deuten auf Massentierhaltung und Tiermast
WHO, Weltgesundheitstag und Antibiotikaresistenz – eine Nachbemerkung
Pest-Seuche und Antibiotika-Resistenz

Eine besiegt geglaubte Krankheit droht wieder zur unkontrollierbaren Seuche zu werden
Antibiotika oder Massentierhaltung?

Der Dioxin-Skandal flaut ab, die Probleme der Massentierhaltung bleiben
Die Zukunft heisst Resistenz? – Antiinfektiva verlieren ihre Wirksamkeit
Hilflos bei Infektionen – Antibiotika verlieren ihre Wirksamkeit
Tierfabriken, Schweineviren und die Zukunft
Bittere Pillen für die Dritte Welt

Welt-Tuberkulose Tag – eine Krankheit weiter auf dem Vormarsch</
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Medizin

EHEC-Erregersuche: Chaos, nichts als Chaos

Dr. Alexander von Paleske— 8.6. 2011 —
Die Suche nach der (den) Erregerquelle(n) der Epidemie hat bisher ins NICHTS geführt.


Anklage mit Gurke: Die waren’s nicht


….die offenbar auch nicht – oder doch? Screenshots: Dr. v. Paleske

Nun sollen andere europäische Länder aushelfen und die Suche nach der (den) Erregerquelle(n) soll zentralisiert werden .
Das Max Planck Institut für Infektionsbiologie fordert einen zentralen Regierungskoordinator für das Krisenmanagement beim Auftreten gefährlicher Erreger. Der Koordinator könne die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Ministerien verbessern.

Krisenvorsorge nötig
Wir brauchen jedoch vor allem eine Krisenvorsorge, also Maßnahmen, die den Ausbruch derartiger Epidemien verhindern. Doch davon wird überhaupt nicht gesprochen.

Man kann es kaum glauben, wie groß die Bandbreite der Wortmeldungen von sogenannten Spezialisten ist. Sie reicht von Verschwörungs-Theoretikern bis zu Sojasprossen-Experten.

Derweil greift die Epidemie weiter um sich. In Nordrhein Westfalen nimmt die Zahl der Erkrankten zu und nicht ab, wie Verbraucherschutzminister Johannes Remmel warnte.

25 Menschen sind bisher an den Kompliktionen der EHEC-Erkrankung gestorben.

Mittlerweile wird auch angezweifelt, dass die Übertragung durch Frischgemüse stattfand. Auf dem Radarschirm der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind – nur allzu berechtigt – Rinderprodukte wie Milch und Fleisch gelangt..

Wie lange wird es dauern, bis sich endlich die Erkenntnis durchsetzt, dass die Massentierhaltungsbetriebe gefährliche Brutstätten für Keime wie EHEC sind? Brutstätten, die außerdem die Vermehrung von Antibiotika-resistenten Keimen fördern. Diese Keime dann, entweder durch Tierprodukte wie Fleisch und Milch direkt auf den Menschen übertragen werden, oder aber durch die Nutzung von Tierdünger beim Ost- und Gemüseanbau in die Nahrung gelangen.

Fakten längst bekannt
Bereits im Jahre 2004 hatte eine Studie in den USA diese Folgen beschrieben, wir berichteten darüber.

Es entspricht dem Vorgehen der Politiker erst dann tätig zu werden, wenn die Katastrophe da ist, anstatt die vorliegenden Warnungen und wissenschaftlichen Erkenntnisse, zuletzt im Zusammenhang mit der Schweinegrippe, ernst zu nehmen..

Nur eine lückenlose regelmäßige Überwachung dieser gesundheitsgefährdenden Brutstätten, und letztlich deren Abschaffung, kann die Bevölkerung vor solchen Epidemien, bzw. Zunahme der Antibiotikaresistenz mit ihren katastrophalen Folgen, bewahren. Insofern sehen die von den Behörden angepeilten Maßnahmen als lächerlich kurzgreifend aus.

Die infizierten Patienten und die Gemüsebauern in Spanien und Deutschland müssen die Zeche zahlen für die Unfähigkeit der Politiker.

Nachtrag 8.6. 15.00
Durch die Presse geht die frohe Botschaft, der Verdacht gegen den Betrieb in Bienenbüttel habe sich erhärtet.
Dort seien drei Beschäftigte erkrankt bzw. hatten eine Durchfallerkrankung im fraglichen Zeitpunkt.

Skepsis bleibt, abgesehen davon, dass bei keiner der dortigen Proben bisher der Erreger nachgewiesen werden konnte.

Mehr noch: Ein in Hamburg an EHEC Erkrankter hatte nach seiner Rückkehr vom Krankenhausaufenthalt noch angebrochenen Sprossensalat der genannten Firma in seinem Kühlschrank aufbewahrt gefunden. Der daran vorgenommene EHEC Test war jedoch negativ. Und nun wurde der Erreger erstmals auf einem Lebensmittel gefunden: auf einem Gurkenrest in einer Abfalltonne in Magdeburg.


Gurkenvernichtung


Wöchentliche Verluste in Spanien und den Niederlanden – Screenshots: Dr. v. Paleske

Zu EHEC und Eculizumab
EHEC – HUS: Die Verschwörungstheoretiker melden sich zu Wort

EHEC-Erreger: Erbgut entschlüsselt – aber kein Anlass zur Hoffnung.

Eculizumab (Soliris) – Das Wundermittel gegen EHEC-HUS?
EHEC- Blame-Game oder: Lärmende Schuldzuweisungen ohne durchgreifende Forderungen nach Konsequenzen
EHEC-Epidemie in Deutschland: Die Finger deuten auf Massentierhaltung und Tiermast
Seltene Krankheiten – Teure Medikamente (oder gar keine)

Zur Antibiotikaresistenz und ihren Gefahren
WHO, Weltgesundheitstag und Antibiotikaresistenz – eine Nachbemerkung
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Medizin

EHEC – HUS: Die Verschwörungstheoretiker melden sich zu Wort

Dr. Alexander von Paleske — 4.6.2011 —
Als gäbe es nicht schon genug Verwirrung um den Ursprungsort bzw. die Herkunft der EHEC-HUS-Epidemie, da melden sich nun die Verschwörungstheoretiker zu Wort.

Noch sind es nicht die erbärmlichen Virus- / Epidemieleugner vom Schlage eines Claus Köhnlein mit seinem „Virus- Wahn„. Diesmal geht der Spuk mit Leuten vom Fach los, die es besser wissen sollten.

Fangen wir mit dem immer Presse-offenen Mikrobiologen und Direktor des Instituts für Biologische Sicherheitsforschung in Halle, Alexander S. Kekule, an.

Los ging es mit seiner Stellungnahme, in der Frankfurter Rundschau vom 23.5.2011, die zunächst einmal doch recht harmlos klang:

Todesfälle sind selten, wenn Krankheit rechtzeitig erkannt wird“

Dann die Wende: die Todesfälle mehrten sich, nun kann man, im Jahrhundert des Terrorismus, auch Bioterrorismus nicht ausschließen:

Der aktuelle EHEC-Ausbruch ist jedoch ungewöhnlich und beunruhigend. Bei einem Großteil der Erkrankten tritt eine sonst seltene Komplikation auf, das hämolytisch-urämische Syndrom (HUS). Zudem sind die meisten HUS-Patienten Erwachsene.
Auch der sehr unwahrscheinliche, aber theoretisch denkbare worst case nicht ausgeschlossen werden, dass die Bakterien absichtlich ausgebracht wurden.

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Da kann auch der Hygiene Chefarzt am Vivantes Krankenhaus nicht ruhig sitzenbleiben:

Der Chefarzt für Hygiene an den Vivantes-Kliniken in Berlin, Klaus-Dieter Zastrow, hält einen Anschlag als Hintergrund der derzeitigen EHEC-Epidemie für möglich. Er sagte: „Es kann durchaus sein, dass ein Schwachkopf unterwegs ist und denkt, ich bringe mal ein paar Leute um oder verpasse 10 000 Leuten Durchfälle. Das aus dem Blickfeld zu nehmen, halte ich für einen Fehler und geradezu fahrlässig.“ Eigens gezüchteter EHEC-Stamm?
Er betonte, die Bakterien könnten durchaus von Kriminellen oder Terroristen produziert werden. Wer Geld habe, könnte Labore beauftragen, die sich mit solchen Dingen beschäftigten. Gerade die Tatsache, dass es sich um einen völlig neuen Stamm handele, lasse ja auch an ein Kunstprodukt denken. „Wenn wir es jetzt mit einem völlig neuen Keim zu tun haben, muss man auch fragen, woher er kommt“, sagte Zastrow.

Auch BILD-Deutschland ist sehr besorgt :

Haben wir zu wenig Experten?
Hygiene-Chefarzt zieht möglichen Anschlag in Betracht


EHEC – Neue Terroristenwaffe? – Screenshot: Dr. v. Paleske

Entwarnung
Aber, gottlob, die Terrorismus-Experten vom Bundesinnenministerium können Entwarnung geben:

Der Sprecher des Bundesinnenministeriums, Jens Teschke, erklärte, es gebe keine Hinweise auf bioterroristische Aktivitäten.

Warum in die Terrorismus-Ferne schweifen, das Böse ist doch so nah
Dabei hätte es doch nun wirklich nahegelegen, erst mal in den Tiermast-Ställen nachzuschauen, ob dort dieser Erreger bereits vorhanden ist, und sich dann über Tierprodukte, oder doch die Gülle, weiterverbreitet.

Nach den Terrorismus-Warnern sind als nächstes die Gegner von genetisch veränderten Nahrungsmitteln an der Reihe, die über eine Übertragung von veränderten Soja- oder Mais-Genen an Bakterien spekulieren.
.
Hier soll keineswegs den gentechnisch veränderten Pflanzen das Wort geredet werden, ganz im Gegenteil. Aber um mit dem früheren Wirtschaftsminister Karl Schiller zu reden: „Genossen, lasst die Tassen im Schrank“. Dabei wird nämlich schlicht übersehen, daß, anders als beim Gentransfer zwischen Bakterien, der zum Beispiel über Plasmide funktioniert, kein Gen-Transfer-Vehikel von genetisch veränderten Lebensmitteln auf die Bakterien vorhanden ist.

Fazit
Die ärztlichen Verschwörungs-Propheten drücken sich vor der Erkenntnis, dass die Massentierhaltung, und mit ihr der Antibiotikaverbrauch, sowie die nicht artgerechte Fütterung, uns diese Probleme bescheren. Diese Erkenntnis ist keineswegs neu, und an Warnungen hat es nicht gefehlt.

Vielmehr ist zu befürchten daß – mit oder ohne Auffinden der Infektionsquelle – nach dem Abklingen der Epidemie, alles beim alten bleibt.

Auf Wiedersehen heißt es dann, bis zum nächsten Mal. Oder in Abwandlung eines alten Bundesbahn-Werbespruchs: Die nächste Epidemie kommt bestimmt. Auch ohne Bio-Terroristen.

Zu EHEC und Eculizumab
EHEC-Erreger: Erbgut entschlüsselt – aber kein Anlass zur Hoffnung.

Eculizumab (Soliris) – Das Wundermittel gegen EHEC-HUS?
EHEC- Blame-Game oder: Lärmende Schuldzuweisungen ohne durchgreifende Forderungen nach Konsequenzen
EHEC-Epidemie in Deutschland: Die Finger deuten auf Massentierhaltung und Tiermast
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Zur Antibiotikaresistenz und ihren Gefahren
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Pest-Seuche und Antibiotika-Resistenz

Eine besiegt geglaubte Krankheit droht wieder zur unkontrollierbaren Seuche zu werden
Antibiotika oder Massentierhaltung?

Der Dioxin-Skandal flaut ab, die Probleme der Massentierhaltung bleiben
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Welt-Tuberkulose Tag – eine Krankheit weiter auf dem Vormarsch</

Welt Aids-Kongress in Wien, die HIV-AIDS-Leugner laden zum Gegentreffen

biowaffen
jaja, die verschwörungstheoretiker. mit ihren geschichten von militär-labors, in denen biowaffen wie milzbrand- oder e.coli-erreger gezüchtet werden, alles TOTAL weit hergeholt …

Tommy Rasmussen (Gast) – 5. Jun, 18:53
EHEC
Kann das EHEC-Bakterium krank machen?

NEIN:

onlinedienst – 6. Jun, 13:00
Stimmt
Krank machen uns nur die Politiker. Die Gesundung kommt von den Virus- und Epidemieleugnern.

Oh sancta simplicitas

Dr. v. Paleske

Stefanie (Gast) – 6. Jun, 14:01
Siehe da – nun ist ein Landwirtschaftsbetrieb in Ülzen schuld. So schnell kann es gehen und alle Verschwöhrungstheorien sind dahin! Wird Zeit, dass sie rausfinden, ob dies der einzige Betrieb ist und wo die Waren überall hingeliefert wurden – ohne Salat lässt es sich bei diesem Wetter nicht gut leben…

teacher – 6. Jun, 18:50
Ich bin persönlich zutiefst enttäuscht, dass meine belegbare Theorie hier nicht zitiert wird:
teacher.twoday.net/stories/19462255/

Medizin

EHEC-Erreger: Erbgut entschlüsselt – aber kein Anlass zur Hoffnung.

Dr. Alexander von Paleske — 2.6. 2011 —
In extrem kurzer Zeit ist das Erbgut des EHEC-Keims entschlüsselt worden. Geleistet wurde dies in einer Gemeinschaftsarbeit von Mikrobiologen der Universität Hamburg und chinesischen Genforschern, die das Genom des derzeit zirkulierenden Erregers sequenziert haben.

Dieser neue E-Coli Stamm O104, der bisher völlig harmlos war, hat über den bei Bakterien möglichen Erbgutaustausch Teile des Erbguts eines anderen Bakteriums übernommen, das die Produktion des Shiga-Toxins codiert, und damit für die Komplikation des Hämolytisch Urämischen Syndroms (HUS) verantwortlich ist.


EHEC-Keime – Screenshot: Dr. v. Paleske

Daraus entstand dann ein nur ganz entfernter Verwandter der bisherigen bekannten Auslöser von hämorrhagischer Kolitis.
Dem neuen Keim wurde der Name E. coli TY2482 verpasst.
Dieser neue Keim zeichnet sich durch zweierlei aus, was ihn hochgefährlich macht::

1. Eine wesentlich größere Adhärenz an das Darmepithel, als die anderen bekannten EHEC-Keime, und damit eine erhebliche längere Verweildauer im Darm der Betroffenen, was wiederum eine längere Krankheitsdauer nach sich zieht.

2. Multiresistenz gegen fast alle herkömmlichen Antibiotika, durch eine Reihe von sogenannten Resistenzgenen. Eine Resistenz, entweder durch Selektion resistenter Stämme bei Anwesenheit von Antibiotika, sehr wahrscheinlich in der Tiermast, oder durch Info-Austausch mit anderen (selektierten) bereits Antibiotika-resistenten Bakterien, ebenfalls nach deren Exposition gegenüber Antibiotika.

Kein Ende der Epidemie in Sicht
Mittlerweile sind 17 Menschen gestorben, und die Zahl der Infizierten nimmt weiter zu, auch außerhalb Deutschlands.


Ratlos – Screenshot: Dr. v. Paleske

Allet Jurken
Wie ein britischer Wissenschaftler heute gegenüber dem britischen Fernsehsender BBC erklärte, handelt es sich klar um ein deutsches Problem, und damit dürfte er richtig liegen.
Behauptungen, die tödlichen Keime seien mit Gurken aus Spanien eingeschleppt worden, haben sich mittlerweile als haltlos herausgestellt.


Falsche Fährte: Spanische Gurken – Screenshot. Dr. v. Paleske

Kein Grund zur Hoffnung
Die Presse berichtet nun, nach der Entschlüsselung des Erbguts bestehe Hoffnung.
Es ist völlig unklar, worin die Hoffnung bestehen solle, denn die Entzifferung des Erbguts der Bakterien bietet weder in der nahen noch mittleren Zukunft irgendwelche Angriffspunkte für eine gezielte Therapie, genau so wenig wie es das bisher bei anderen Bakterienstämmen, und vor allem Problemkeimen gab..

Prophylaxe als einziger Ausweg
Bleibt also nur die Vermeidung der Exposition, also die Prophylaxe. Die kann aber nicht wirklich effektiv sein, solange die Infektionsquelle(n) nicht gefunden ist (sind) .

Derartige Infektionsquellen auszumachen ist recht einfach, wenn alle Betroffenen sich durch ein gemeinsames Merkmal auszeichnen: Zum Beispiel Besuch einer bestimmten Gaststätte, oder Verzehr eines bestimmten Lebensmittels wie Milch oder Fleisch von einem bestimmten Erzeuger.

Eine derartige Gemeinsamkeit, die zur Infektionsquelle hinführen könnte, konnte bisher nicht gefunden werden. Dies deutet darauf hin, dass es sich offenbar um eine Reihe von unterschiedlichen Produkten, möglicherweise auch noch von verschiedenen Erzeugern handelt, die mit dem Erreger kontaminiert waren. Vermutlich über die Düngung mit den Ausscheidungsprodukten infizierter Wiederkäuer, also Gülle..

Weiterhelfen könnte da möglicherweise die gezielte Suche nach dem Erreger in Mastbetrieben und deren Gülle. Davon ist aber bisher nichts zu hören.

Dabei ist es nach wie vor sehr wahrscheinlich, dass wir diese Epidemie der Massentierhaltung mit dem zügellosen Antibiotikaeinsatz in der Tiermast sowie der nicht artgerechten Tierfütterung letztlich zu verdanken haben.

Nachtrag
In einer Studie in den USA aus dem Jahre 2007 wurde nachgewiesen, dass der Einsatz von organischem Dünger (Fäkalien, Gülle, Mist), das Risiko für eine Kontamination von Frisch-Obst und Frisch-Gemüse mit hochpathogenen E-Coli Bakterien versiebenfacht , insbesondere dann, wenn sich dabei auch Gülle von Rindern befindet, .

Details siehe hier :

Int J Food Microbiol. 2007 Dec 15;120(3):296-302. Epub 2007 Oct 5.

http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/17997496

Zu EHEC und Eculizumab
Eculizumab (Soliris) – Das Wundermittel gegen EHEC-HUS?
EHEC- Blame-Game oder: Lärmende Schuldzuweisungen ohne durchgreifende Forderungen nach Konsequenzen
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Zur Antibiotikaresistenz und ihren Gefahren
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Medizin

Eculizumab (Soliris) – Das Wundermittel gegen EHEC-HUS?

Dr. Alexander von Paleske — 28.5. 2011 —
Die Medien sind heute voll mit Meldungen über ein neues Mittel im Kampf gegen das Hämolytisch-Urämische Syndrom (HUS), eine nicht selten tödliche Komplikation der Infektion mit enterohämorrhragischen E-Coli –Bakterien und Shigellen-Infektionen. Ein Durchbruch?

Das Medikament Eculizumab, über das wir bereits in anderem Zusammenhang berichteten, ist seit 2007 zugelassen und wurde eigentlich für die zur Behandlung von Krankheiten des rheumatischen Formenkreises entwickelt. Das sind keineswegs seltene, chronisch entzündliche Erkrankungen, hervorgerufen durch Angriffe des fehlgeleiteten Immunsystems gegen körpereigenes Gewebe, Autoimmunerkrankungen auch genannt.

Dazu gehören beispielsweise die rheumatoide Arthritis, der Lupus erythematodes, die membranöse Glomerulonephritis (eine Autoimmunerkrankung welche die Nieren befällt) usw..

Wie wirkt Eculizumab?
Eculizumab greift in den (hier unerwünschten) Entzündungsprozess ein, und zwar durch Hemmung eines Bausteins der Komplement- Kaskade, C5, indem es sich an ihn bindet und damit den Weiterlauf der Kaskade und damit die Entstehung oder Unterhaltung einer Entzündungsreaktion verhindert.

Diese Kaskade ist aber nur bei Autoimmunerkrankungen ein unerwünschter Weg, er spielt nämlich bei der normalen Infektionsabwehr (Immunabwehr) eine sehr wichtige Rolle. Es ist deshalb auch nicht überraschend, dass der Einsatz dieses Medikaments die Infektionsgefahr erhöht, und bei bestimmten Infektionen erst gar nicht zum Einsatz kommen sollte, wie zum Beispiel bei der bakteriellen Hirnhautentzündung (Meningitis).

Glatter Reinfall und überraschende Wirkung
Das Medikament war jedoch für den geplanten Einsatz bei rheumatischen Erkrankungen ein glatter Reinfall.

Aber: Eculizumab sollte sich überraschender Weise als sehr wirksam bei der seltenen paroxysmalen (anfallsweisen) nächtlichen Hämoglobinurie (PNH) erweisen. Eine Erkrankung, bei der den roten Blutkörperchen eine Schutzschicht fehlt, die deshalb dem körpereigenen Komplement schutzlos ausgeliefert sind und zerstört werden. Hinzu kommen vermehrt Thrombosen.

Patienten, die an PNH leiden, sind chronisch transfusionsbedürftig, mit all den negativen Folgen, insbesondere der Eisenüberladung des Körpers. Durch die Blockierung der Komplementkaskade mit Eculizumab wird die Zerstörung der roten Blutkörperchen signifikant reduziert.

Eine Riesenüberraschung, allerdings wegen der Seltenheit der Erkrankung kein lukratives Geschäft, deshalb trieb die Herstellerfirma den Tagespreis auf nunmehr 5827 Euro, wir berichteten darüber.

Auch ein Mittel gegen HUS?
Eculizumab hat sich nun in einigen Fällen von HUS als offenbar spektakulär wirksam erwiesen. Es verhindert bzw. stoppt über die Blockade der Komplementaktivierung offenbar HUS .

Allerdings sind einige Zweifel angebracht: Die Patienten leiden an einer akuten bakteriellen Infektion mit EHEC. Auf diese Infektion dürfte sich Eculizumab keineswegs verbessernd auswirken, denn hier ist die Komplementaktivierung ja gerade erwünscht, da Teil der Infektionsabwehr, wie bereits beschrieben.

Möglicherweise wird dann doch parallel der Einsatz von Antibiotika erforderlich, welcher bei der vorhandenen Multiresistenz des Erregers weitere Probleme bereiten würde.

Es könnte sich herausstellen, dass Eculizumab, statt zu einer dramatischen Verbesserung, letztlich zu einer „Verschlimmbesserung“ führt. Zumal wenn Antibiotika eingesetzt werden müssen, um die Infektion zu beherrschen, was bei einem erfolgreichen Einsatz auch eine massenhafte Zerstörung der E-Coli-Bakterien mit massenhafter Freisetzung von Shiga-Toxin, dem Verursacher von HUS,. zur Folge hätte.

Die nächsten Tage werden zeigen, ob Eculizumab eine wirksame Therapie in diesen verzweifelten Fällen darstellt, was wirklich zu hoffen ist.

E-Mail avpaleske@botsnet.bw

Nachtrag 30.5. 2011
Nach Angaben des „Tagesspiegels“ hat das Unternehmen Alexion Pharma angeboten, die Infusionslösung kostenlos zur Verfügung zu stellen.
Quelle:
http://www.aerztezeitung.de/news/article/656764/ehec-erste-erfolge-neuer-hus-therapie.html

Das ist allerdings wohl keine mildtätige Gabe, sondern damit soll sichergestellt werden, dass möglichst viele Patienten mit der Substanz behandelt werden, und dies nicht an finanziellen Erwägungen scheitert.
Bei nachgewiesenem erfolgreichen Einsatz wäre dann eine weitere indikation für dieses Medikament geschaffen.

Dieser Weg ist allemal billiger, als eine (randomisierte) Studie zu finanzieren, was ohnehin schwierig wäre, angesichts der normalerweise geringen Patientenzahlen.

Zu EHEC und Eculizumab
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EHEC- Blame-Game oder: Lärmende Schuldzuweisungen ohne durchgreifende Forderungen nach Konsequenzen

Dr. Alexander von Paleske — 27.5. 2010 —

– Kommen die Gurken aus Spanien?

– Oder kommen sie gar aus den putzsauberen Niederlanden?

– Sind sie auf deutschem Staatsgebiet mit dem Erdboden in Berührung gekommen, und zwar massenhaft?

– War also das Deutsche Erdreich verseucht mit EHEC?

Fragen, welche zur Zeit in den Medien aufgeworfen werden. Aber sie sind nur teilweise relevant, zum Teil sind sie angesichts der Lage reichlich unwichtig.

Fest steht, dass offenbar auf spanischen Gurken der Erreger nachgewiesen wurde, der identisch ist mit dem von Kranken isolierten Stamm.

Damit ist noch nicht einmal absolut sicher geklärt, ob dies auch die einzige Infektionsquelle war.

Fest steht weiterhin: Der EHEC-Erreger breitet sich in Deutschland immer weiter aus. Die Zahl der Infizierten liegt mittlerweile bei mehr als 1000. 276 von ihnen sind an der schwerwiegenden Komplikation des hämolytisch-uramischen Syndroms (HUS) erkrankt, und die Zahl steigt weiter. Acht (28.5. 2011) EHEC-bedingte Todesfälle sind mittlerweile bestätigt.

Normalerweise sind es nicht mehr als 60 HUS-Fälle pro Jahr in Deutschland.

Ein diagnostischer Durchbruch gelang der Münsteraner Arbeitsgruppe von Mikrobiologen unter Leitung von Professor Helge Karch: Sie haben in sehr kurzer Zeit den speziellen EHEC-Stamm identifiziert.. Sein Name: HUSEC 41.


Prof. Helge Karch – ….. diagnostischer Durchbruch in Münster.


EHEC-Bakterienkolonie – Screenshots: Dr. v. Paleske

Er ist zwar seit einigen Jahren unter Wissenschaftlern bekannt, aber bisher war weltweit kein Ausbruch mit diesem Erreger dokumentiert.

Allmacht und Ohnmacht
Die rasche Isolierung und Typisierung des Erregers ist zweifellos eine hervorragende Leistung der Wissenschaft, samt der Aufschlüsselung von genetischen Veränderungen, die das Bakterium – einstmals harmlos – mittlerweile so gefährlich machen.

Aber die Erkenntnis wird bisher nicht als Alarmsignal verstanden.

Die beste Diagnose ist nichts wert, wenn anschließend keine Therapie zur Verfügung steht, und die beste Erkenntnis ist nichts wert, wenn nicht daraus notwendige Konsequenzen gezogen werden.

Bleiben wir zunächst noch bei der Diagnose: Dieser Erreger hat seine Harmlosigkeit entweder durch Spontanmutationen, oder durch Info-Übertragung von Bakterien zu Bakterien eingebüßt, und produziert jetzt Shiga-Toxin, verantwortlich für HUS.

Dieser Erreger – und das wird gerne unterschlagen – ist außerdem noch multiresistent gegen nahezu alle vorhandenen Breitspektrum-Antibiotika dank Extended Spectrum Betalactamasen, also insbesondere gegen die bisher Betalactamase-festen Cefalosporine.

Übrig bleiben dann lediglich die Carbapeneme, gegen die aber mittlerweile ebenfalls Resistenzen durch Carbapenemasen (bei anderen Bakterien) beobachtet wurden.

Liegt im Trend
Damit liegt dieses HUS-auslösende EHEC-Bakterium absolut im Trend der Multiresistenz, welche durch die Verfütterung von Antibiotika bei Tiermast und Massentierhaltung gefördert wird.

Zwar wird die beim Menschen ausgelöste Krankheit nicht mit Antibiotika behandelt, weil das vermehrte Absterben der Bakterien nach Antibiotika-Gabe zu einer vermehrten Freisetzung des Shiga-Toxins führen würde, aber es zeigt deutlich, dass dieses Bakterium, offenbar durch den über Antibiotika ausgelösten Selektionsdruck, sich ungehindert vermehren und verbreiten konnte.

Wie müsste eine durchgreifende Therapie aussehen?
Die beste Therapie ist, wie immer, die Prophylaxe, das Verbot der Massentierhaltung, auch wenn dies zum deutlichen Rückgang und zur Verteuerung der Fleischproduktion führen würde.

Weiter das Unterbinden des ungezügelten Einsatzes von Antibiotika, deren Verbrauch in der Veterinärmedizin zur Zeit weiter rasant ansteigt.

Dann das Verbot der nicht artgerechten Fütterung von Tieren, welche derartigen unheilvollen Bakterien-Selektionen offensichtlich Vorschub leistet, wir berichteten darüber. So wie seinerzeit die Verfütterung von Fleisch und Hirnteilen an Rinder die BSE-Seuche (Rinderwahnsinn) nach sich zog.

Nutztiere müssten im übrigen wesentlich regelmäßiger auf die Entwicklung derartiger Super-Bugs untersucht werden, denn eine lückenlose Überwachung der Lebensmittel kann es gar nicht geben, sondern bestenfalls Stichproben.

Hinzu kommt die strikte Einhaltung des Verbots der Verwendung von Fäkalien als Dünger für Gemüsepflanzen, Salate, bestimmte Früchte wie Erdbeeren etc.

Es bleibt zu hoffen, dass die Politiker endlich handeln, gegen alle zu erwartenden Widerstände.

Oder muss es erst einen Super-GAU geben, so wie bei der Atomkraft?.

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Medizin

EHEC-Epidemie in Deutschland: Die Finger deuten auf Massentierhaltung und Tiermast

Dr. Alexander von Paleske— 25.5. 2011 — Die Epidemie mit den Enterohaemorrhagic – E-Coli Bakterien (EHEC), am häufigsten in früheren Ausbrüchen der Stamm O157; H7) sorgt in Deutschland nicht nur für Schlagzeilen, Furcht und Schrecken, sondern mittlerweile sind auch die ersten Todesopfer zu beklagen.

Es sind vor allem sehr junge und sehr alte Menschen, bei denen – neben dem Darm – auch die Nieren betroffen sind, genauer gesagt die kleinen Blutgefäße der Nieren, mit der Folge der mechanischen Zerstörung von Blutkörperchen, dem Verbrauch von Blutplättchen, und der Schädigung der Niere selbst, die bis zum akuten Nierenversagen gehen kann, auch hämolytisch-urämisches Syndrom genannt.

Prozentual liegt dieser Komplikations-Anteil normalerweise weit unter 10% aller Krankheitsfälle, die meisten Erkrankungen bleiben auf den Darm beschränkt.

Es sieht aber so aus, als sei Verursacher der jetzigen Epidemie eine besonders aggressive Variante.
Manchmal, keineswegs jedoch immer, lässt sich ein Erregerreservoir ausmachen, von dem die Epidemie ihren Ursprung nahm.

Das hämolytisch-urämische Syndroms ist als Komplikation von Infektionen mit Shigella-Bakterien (Bakterien-Ruhr), insbesondere bei Kindern, wohlbekannt. Ich habe im Rahmen meiner ärztlichen Tätigkeit zwei Ausbrüche selbst miterlebt.

Shigellen sind in vielen Ländern der Südhalbkugel Epidemieursache, mit fäkal-oralem Verbreitungsweg z.B. durch ungereinigtes Trinkwasser.

Woher kommt die deutliche Zunahme von EHEC?
Während fieberhaft nach dem Erregerreservoir der jetzigen Epidemie gesucht wird, muss dringend ebenfalls gefragt werden: Wie kommt es zu dieser deutlichen Zunahme?

Das keineswegs „natürliche“ Erregerreservoir für diese Bakterien sind wiederkäuende Tiere wie Rinder, Schafe und Ziegen.

Dank der Massentierhaltung sind mittlerweile rund 45% des Bestandes an Rindern mit diesen hochpathogenen E-Coli Stämmen im Magen besiedelt, was für diese Tiere selbst aber folgenlos bleibt..
Der Grund: Diese Tiere werden im Rahmen der Tiermast mit nicht artgerechtem Futter versorgt, nämlich mit Getreide, statt mit Heu und Gras. Diese Fütterung führt dann zu einer Erniedrigung des pH-Wertes im Magen, also zu einer stärkeren Ansäuerung, was wiederum die Besiedlung mit diesen gefährlichen Bakterien begünstigt. Die Massentierhaltung fördert deren rasche Ausbreitung.

Die Übertragung auf den Menschen geschieht dann durch kontaminierte Nahrung (Milch, Gemüse etc) und Weiterverbreitung von Mensch zu Mensch dann fäkal-oral, z.B. durch mangelnde Hygiene.

Die hochangesehene Wissenschaftszeitung Science publizierte bereits im Jahre 1988 einen Artikel (Science 1988; 281, Seite 166), in welchem dieser Zusammenhang aufgedeckt wurde.

Auch wenn es Kritik an dieser Arbeit gegeben hat, die Erkenntnisse hätten ein Alarmsignal seien müssen, hätten….
Aber die Politiker handeln wie üblich erst, wenn es zu derartigen Epidemien kommt, nicht vorausschauend..

Die Verfütterung von nicht artgerechten Fleisch- und Gehirnbestandteilen an Rinder hatte seinerzeit die BSE-Epidemie (Rinderwahn) zur Folge gehabt.

Die Massentierhaltung fördert die rasche Ausbreitung von pathogenen Erregern, und die folgende Verfütterung von Antibiotika fördert die Antibiotikaresistenz, wir hatten uns bereits mehrfach mit dem Thema beschäftigt.

Der dringende Handlungsbedarf ist in allen Bereichen gegeben. Die Massentierhaltung muss abgeschafft, und die nicht artgerechte Fütterung beendet werden. Und zwar so schnell wie möglich.

WHO, Weltgesundheitstag und Antibiotikaresistenz – eine Nachbemerkung
Pest-Seuche und Antibiotika-Resistenz

Eine besiegt geglaubte Krankheit droht wieder zur unkontrollierbaren Seuche zu werden
Antibiotika oder Massentierhaltung?

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Welt-Tuberkulose Tag – eine Krankheit weiter auf dem Vormarsch</

Medizin

WHO, Weltgesundheitstag und Antibiotikaresistenz – eine Nachbemerkung

Dr. Alexander von Paleske… 8.4. 2011 — Gestern war Weltgesundheitstag. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) nahm dies zum Anlass, um wieder auf die drohende Antibiotika-Resistenz-Katastrophe aufmerksam zu machen.

Wir haben uns bereits in mehreren Artikeln mit diesem Thema beschäftigt. Zutreffend stellt die WHO fest, dass der hohe – oftmals ungerechtfertigte bzw. ungezielte – Antibiotikaverbrauch die Wurzel des Übels sei.

WHO-Chefin Margaret Chan kritisierte:

„In Ermangelung dringender Korrektur- und Schutzmaßnahmen steuert die Welt auf ein Post-antibiotisches Zeitalter zu, in dem viele Infektionen nicht mehr geheilt werden und unvermindert töten“

Also Rückfall in die Zeit vor dem Beginn der Behandlung mit Antibiotika.

Was empfiehlt nun die WHO?
Zurückhaltender Einsatz von Antibiotika

Regelmäßige Resistenzbestimmungen

Verschreibungspflicht aller Antibiotika, dort, wo das noch nicht der Fall ist, z.B. in Staaten Osteuropas

Aufklärung der Patienten

Neuentwicklung von potenten Antibiotika. Von 1950-1980 waren 200 neu auf den Markt gekommen, von 1980-2010 nur noch 55, in den letzten 10 Jahren nur noch 7.

Aber: nur ein einziges wirklich „neues“ Antibiotikum – Doripenem – wurde im Zeitraum 2006-2009 neu zugelassen. Der Rest waren Analogpräparate bereits vorhandener Antibiotika.

10 Jahre dauert es im Durchschnitt bis ein neues Antibiotikum marktreif entwickelt ist. Die Entwicklungskosten liegen bei 500 Millionen bis zu einer Milliarde US Dollar pro Präparat, und 8 von 10 neuentwickelten Präparaten schaffen es nicht bis zur Marktreife.


Forschung zu teuer – Pharmariese Pfizer schliesst Forschungseinrichtungen in England und entlässt die meisten der 2400 Mitarbeiter

Robert Koch Institut warnt
In Deutschland warnte ebenfalls das Robert Koch Institut vor der Zunahme resistenter Erreger, insbesondere vor:

– Methicillin-resistenten Keimen bei Staphylokokkeninfektionen

– Vancomycin- resistenten Keimen bei Enterokokkeninfektionen

– Extended Spectrum Betalactamasen, die hochwirksame Antibiotika aufknacken, sowie die sogenannten Carbapenemasen, die eines der besten und am breitesten wirkenden Antibiotika zerstören.

Was die WHO jedoch nicht explizit sagt:
dass die Massentierhaltung einschliesslich Fischfarmen – insbesondere aber von Geflügel – ohne Antibiotikaverfütterung nicht darstellbar ist, weil es sonst die Tiere nicht bis zum Schlachttag schaffen.

dass – trotz des Verbots der prophylaktischen Verfütterung – der Antibiotikaverbrauch bei der Tiermast deshalb rasant weiter ansteigt.

dass die an Tiere verfütterten Antibiotika zu den gleichen Substanzklassen gehören, wie die an Menschen verabreichten

dass die massenhafte Dauerverabreichung an Tiere der Resistenzentwicklung noch mehr Vorschub leistet, als wenn es vorübergehend einem Patienten für ein paar Tage gegeben wird

dass dieses Problem nur durch Abschaffung der Massentierhaltung gelöst werden kann.

dass der Einsatz des Antibiotikums Streptomycin im Obstanbau zur Bekämpfung des Feuerbrands sofort eingestellt werden sollte

Notwendige Konseqenzen für Kliniken
Für die Krankenversorgung in Deutschland müsste das wohl heissen:

Dass jedes Krankenhaus verpflichtet werden sollte, kontinuierlich eine Infektionskontrolle zu betreiben, die durch extra hierzu eingestellte(n) Arzt/Ärzte überwacht und durchgesetzt werden sollte,

Dass alle Krankenhäuser und Laboratorien in engen Abständen Bericht erstatten sollten über die Resistenzlage, einmal an die Landesgesundheitsminister, und dann auch an das Robert Koch Institut.

Wenn nicht sofort und zwar durchgreifend gehandelt wird, dann könnte das von der WHO prognostizierte Schreckensszenario in der Tat schon bald Wirklichkeit werden.

Pest-Seuche und Antibiotika-Resistenz

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Pest-Seuche und Antibiotika-Resistenz

Dr. Alexander von Paleske — 4.4. 2011 — Die Pest gilt als eine der großen Seuchen der Menschheitsgeschichte. Es gab drei weltweite Epidemien (Pandemien): eine im sechsten Jahrhundert, die zweite im 14. Jahrhundert – die bekannteste – tötete rund ein Drittel der Bevölkerung Europas. Die dritte startete in China im Jahre 1860, und erreichte Hongkong im Jahre 1894. In Indien forderte die Seuche bis zum Jahr 1919 etwa 1 Million Tote. Die weitere Geschichte der Pest siehe hier.

Eine Seuche verliert ihren Schrecken
Die Krankheit, verursacht durch Bakterien des Typs Yersinia Pestis, die durch Rattenflöhe auf den Menschen übertragen werden können, wurde durch verbesserte Hygiene, und durch den Einsatz von Antibiotika seit den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts, erfolgreich bekämpft.

Die Pest ist jedoch keineswegs ausgerottet. Begrenzte Epidemien gab es beispielsweise in Vietnam während des Vietnamkrieges in den 60er und 70er Jahren mit rund 4000 Fällen pro Jahr.

Lokal begrenzte Ausbrüche in den letzten 20 Jahren gab es in Tansania, Vietnam, Demokratische Republik Kongo, Botswana, Simbabwe, und China, aber auch in den USA gibt es mehrere Fälle jährlich.

Keine Ausrottung der Seuche
Die in Deutschland oftmals anzutreffende Ansicht, die Pest sei ausgerottet, ist daher ein Irrtum.

Allerdings hatte die häufigste Form der Pest, die sogenannte Beulenpest, mit dem schmerzhaften Befall von Lymphknoten, vorwiegend im Leistenbereich, aber auch im Halsbereich, ihren Schrecken mit der Einführung von Antibiotika verloren, während die weit weniger häufige Lungenpest nach wie vor eine extrem hohe Todesrate hat.

60 Pest-Opfer in Madagaskar
Vergangene Woche kam die Meldung, in Madagaskar seien 60 Menschen der Seuche erlegen. Hintergrund: Während der Regenzeit mit Überschwemmungen tauchen Ratten vermehrt in Dörfern auf.

Viele Todesfälle entstehen dadurch, dass die Patienten erst sehr spät Krankenstationen aufsuchen stattdessen zunächst „Traditional Healers“ konsultieren. Auch besteht die Möglichkeit, dass die Krankheit mit der Lymphknoten-Tuberkulose, einer anderen Lymphknotenentzündung, oder aber einem Lymphom verwechselt wird, insbesondere dann, wenn keine ausreichende Labordiagnostik zur Verfügung steht.

Na gut, Madagaskar, mögen manche sagen, was interessiert uns das, die ganze Sache erinnert uns bestenfalls an einen Shanty „Wir lagen vor Madagaskar und hatten die Pest an Bord“.

Die wirkliche Schreckensmeldung betraf jedoch die Resistenz einiger Erregerstämme gegen Antibiotika, ein Stamm war gegen 8 von 10 normalerweise wirksamen, und von der WHO empfohlenen Medikamente resistent.

Deshalb müssten jetzt alle Alarmglocken schrillen, denn diese allgemeine Resistenzentwicklung, über die wir mehrfach berichtet haben, ist nicht auf Madagaskar begrenzt, sondern mittlerweile eine weltweit sich anbahnende Katastrophe:

Die Antibiotika-Resistenz , welche Krankheiten, wie die Pest und die Tuberkulose, wieder zu hochgefährlichen Seuchen zu machen droht, auch verursacht durch den ungezügelten Einsatz der Antibiotika wie in der Tiermast und Massentierhaltung, ist weltweit auf dem Vormarsch.

Hinzu kommt. der unsinnige bzw. nicht wirksame Einsatz von Antibiotika bei der Behandlung von Patienten, z.B. bei banalen Erkältungen.

Die Resistenzentwicklung setzt dabei keineswegs den Einsatz bei der betreffenden Erkrankung voraus, vielmehr können unterschiedliche bakterielle Krankheitserreger diesen „Überlebensvorteil“ als „Info“ z.B. durch Plasmidtransfer , weiterreichen.

Es ist Eile geboten, oder, um mit Willy Brandt zu sprechen: „Beeilt Euch zu handeln, bevor es zu spät ist, zu bereuen“

Eine besiegt geglaubte Krankheit droht wieder zur unkontrollierbaren Seuche zu werden
Antibiotika oder Massentierhaltung?

Der Dioxin-Skandal flaut ab, die Probleme der Massentierhaltung bleiben
Die Zukunft heisst Resistenz? – Antiinfektiva verlieren ihre Wirksamkeit
Hilflos bei Infektionen – Antibiotika verlieren ihre Wirksamkeit
Tierfabriken, Schweineviren und die Zukunft
Bittere Pillen für die Dritte Welt

Welt-Tuberkulose Tag – eine Krankheit weiter auf dem Vormarsch</

Medizin

Welt-Tuberkulosetag – Eine besiegt geglaubte Krankheit droht wieder zur unkontrollierbaren Seuche zu werden

Dr. Alexander von Paleske — 24. 3. 2011 —
Heute, am Welttuberkulosetag, waren es drei Patienten, bei denen ich eine Lymphknoten-Tuberkulose durch Feinnadelaspiration diagnostizierte. Oftmals sind es noch mehr neu diagnostizierte TB-Patienten in meiner Ambulanz pro Tag.


Kalter Abszess. Lymphknotentuberkulose mit ausgeprägter Eiterbildung im Halsbereich

Eiter unter dem Mikroskop: Übersät mit Tuberkelbakterien (rot) Fotos: Dr. v. Paleske

Schwindsucht wurde die Tuberkulose früher in Deutschland im Volksmund genannt, weil die Patienten abmagerten, dahinschwanden.
Anfang der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts, also vor rund 50 Jahren, verlor die Tuberkulose weltweit ihren Schrecken, schien besiegbar geworden zu sein.
Sanatoriums-Aufenthalte und Liegekuren wurden überflüssig, die Behandlung geschah nun durch ambulante Tablettenverschreibung.

Auch hier in Afrika gab es enorme Fortschritte in der Behandlung der TB.

.Möglich gemacht hatte es die Kombination von drei Medikamenten, Isoniazid (INH), Rifampicin und Ethambutol, nachdem Monotherapien mit Substanzen wie Streptomycin, das als erstes Medikament Anfang der 50er Jahre auf den Markt kam, und Wirksamkeit gegen die TB zeigte, alleine keine Heilung, sondern nur eine vorübergehende Besserung bringen konnten.

Optimismus verflogen
Der Optimismus von damals hat nun einer gehörigen Portion Pessimismus Platz gemacht, auch wenn die Sensationspresse heute eine Rückläufigkeit der Todesfälle für Deutschland meldet.

Die Zahl der Tuberkulose-Toten ist z.B. in Niedersachsen weiter gesunken. Für 2009 seien noch 34 Todesfälle gemeldet worden, teilte der Landesbetrieb für Statistik und Kommunikationstechnologie (LSKN) am Donnerstag zum Welttuberkulosetag mit.
Seit 1998 (85 Todesfälle) nehme die Zahl der Toten tendenziell ab.

Falsches Bild
Die Meldung gibt jedoch ein falsches Bild
Zum einen steigt die Tuberkulose in Deutschland bei Kindern an, und zum anderen hat sich der Rückgang bei den TB-Todesfällen eindeutig verlangsamt.

So ist es dann nicht überraschend, wenn das Robert Koch Institut eine Warnung ausspricht , dass die angepeilte Halbierung der Tuberkulose-Fälle in Deutschland bis 2015 nicht erreicht werden kann.

Das Gegenteil dürfte vielmehr der Fall sein.

Resistenzentwicklung zerstört Optimismus
Der Grund: Die Resistenzentwicklung gegen die bisher hochwirksamen Medikamente, welche weltweit in einem stetigen Anstieg begriffen ist.

Zum einen handelt es sich um die Multidrug- Resistant TB (MDR-TB), eine Resistenz der TB-Bakterien gegen mindestens zwei der Standardmedikamente, INH und Rifampicin, und die Extensive Resistant TB ( XDR-TB), die ausserdem mindestens noch eine Resistenz gegen Chinolone, ein orales Medikament der 2. Wahl, und ein injizierbares Tuberkulostatikum wie Streptomycin, zeigt.

Beide, sowohl die MDR, wie auch die XDR sind in einem Steigflug begriffen. Die XDR-Behandlung ist nicht nur teuer, sondern oftmals wirkungslos.

Zwischen 2001 und 2006 meldeten 81 Länder MDR –TB


Anteil der MDR-TB an neu diagnostizierten TB-Fällen

Weltweit 480.000 Fälle im Jahr 2008

Am stärksten betroffen Russland, 17% aller gemeldeten TB Fälle sind MDR-TB

7% der MDR-Fälle sind in Russland keine MDR-TB sondern bereits XDR-TB

In russischen Gefängnissen liegt der Anteil der MDR-TB noch höher, bei rund 50%.

Nur 7% aller MDR-TB Fälle in der Dritten Welt werden, wegen fehlender Laboreinrichtungen, in denen die TB-Bazillen auf Resistenz untersucht werden können, rechtzeitig diagnostiziert.
.
Die Folge: Die Patienten mit MDR werden daher eine Zeit lang mit wirkungslosen Medikamenten behandelt und scheiden weiter im Falle der offenen TB – und das ist die Mehrzahl – TB-Bakterien aus, und stellen daher für ihre Umgebung eine große Infektionsgefahr dar. Abgesehen davon, dass sich ihr Gesundheitszustand nicht bessert.


Labore wie dieses hier in Bulawayo/Simbabwe sind zur effektiven Diagnose und Behandlung der TB unverzichtbar. Dieses Labor wird mit Global Fund Geldern unterstützt. Foto: Dr. v. Paleske

Mittlerweile steigt weltweit die Zahl der Tuberkulosekranken dramatisch an:
.
Jährlich erkranken 9 Millionen Menschen neu , 1,8 Millionen sterben an TB.

Die Masse der Erkrankungen ist in den Ländern der Dritten Welt.


WHO: Inzidenz der Tuberkulose pro 100.000

Viele TB-Patienten leiden ebenfalls an der HIV-Krankheit. Die HIV Krankheit begünstigt nicht nur die Neuinfektion bzw. Reaktivierung einer alten TB, sondern auch die ungehinderte Vermehrung der TB-Bazillen im Körper, der Krankheitsverlauf ist daher schwerer.

24% aller 2,4 Millionen HIV-Toten pro Jahr sterben an einer Tuberkulose

Auch in Großbritannien – anders als noch in Deutschland – steigt die Zahl der Tuberkulosekranken deutlich an.an.

Ein Blick zurück
Im Jahre 1660 betrug die Häufigkeit der Tuberkulose in London 1000 per 100.000 Einwohner.

25% aller Todesfälle im 19.Jahrhundert waren der Tuberkulose anzulasten. Es war damit die häufigste Todesursache in dieser Zeit.

Die Zahl der Tuberkuloseerkrankungen, die mit der Einführung der Tuberkulostatika dramatisch zurückgegangen waren, beträgt in London, einer Stadt mit hohem Migrantenanteil, mittlerweile wieder 14.6 Patienten pro 100.000 Einwohner.In absoluten Zahlen: Anstieg von 2309 im Jahre 1999 auf 3450 im Jahre 2009.

172 Fälle von INH-resistenter Tuberkulose wurden im gleichen Jahr gemeldet.

Dabei unterstützend wirken Faktoren wie Leben einer großen Familie auf engem Raum, mangelnde Hygiene und schlechte Ernährung.

Die einzig wirksame Waffe gegen die Tuberkulose ist jedoch die überwachte Behandlung.

Die Behandlung der unkomplizierten TB ist dabei noch relativ billig: 72 US Dollar pro Patient pro Jahr.
Bei der MDR-TB sind es bereits 1200 US Dollar, und bei der XDR-TB 7200 US Dollar pro Patient pro Jahr.

Länder der Dritten Welt können daher, wenn überhaupt, nur die Behandlung der unkomplizierten TB finanzieren. Zur Behandlung der MDR und XDR-TB sind sie auf Unterstützung angewiesen.

Wichtige Hilfsgelder hat hierzu der Global Fund bereitgestellt, mit dessen laxer Überwachungspolitik wir uns bereits in zwei Artikeln beschäftigt haben.

Verhinderung des Missbrauchs der Mittel
Die sich häufenden Fälle von Mißbrauch der Hilfsgelder hat nun dazu geführt, dass Bundesminister Dirk Niebel die deutschen Zuschüsse zum Global Fund die bei etwas über 200 Millionen Euro pro Jahr liegen, erst einmal gestrichen hat..

Derartige Maßnahmen machen sich gut beim Wähler, aber sind gleichzeitig katastrophal für Empfängerländer, weil sie unterschiedslos gerade auch effektive Behandlungsprogramme gefährden bzw. unmöglich machen.

Minister Niebel hätte stattdessen auf wesentlich straffere Kontrolle der gesponserten Programme drängen müssen, und gleichzeitig mit der Drohung der Mittelkürzung winken können.

Fazit
Die Tuberkulose droht weltweit aus dem Ruder zu laufen. Neben der konsequenten Diagnose und Behandlung müssen dringend neue Medikamente entwickelt werden, um der zunehmenden Zahl von MDR-TB und XDR-TB Herr zu werden.

Global Fund – oder: Warum Aushändigen von Geld nicht reicht

Global Fund: Erreichen alle Gelder der Geldgeber die richtigen Empfänger?

Antibiotika oder Massentierhaltung?

Die Zukunft heisst Resistenz? – Antiinfektiva verlieren ihre Wirksamkeit
Hilflos bei Infektionen – Antibiotika verlieren ihre Wirksamkeit
Tierfabriken, Schweineviren und die Zukunft
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